Aratani
spürte er sein Blut hinablaufen. Er wandte
sich um und konnte gerade noch in das wutverzerrte Gesicht seines Angreifers
sehen, bevor ihn die Kräfte verließen und ihm schwarz vor Augen wurde.
10. Kristallsee
Die Sonne fing gerade an, ihre ersten Strahlen auszustrecken und Aran
nahm dankbar die sanfte Wärme des beginnenden Tages an. Heute, spätestens
morgen Vormittag, sollten sie es bis zum Karalan schaffen, der schmale Fluss,
der im Westen im Kristallsee mündete, im Osten bis zum Barabesi, und dann nördlich
ins offene Meer floss. Aber Aran war vorsichtig geworden. Viel zu oft schon war
ihnen etwas dazwischen gekommen. Er rechnete eher damit, dass sie heute wieder
einmal im Freien übernachten mussten. Morgen würden sie es dann vielleicht bis
zum See schaffen. Vom unteren Ende des Kristallsees hatten sie immerhin noch
mindestens zwei Tage vor sich, ehe sie die orientalische Hauptstadt Basab
erreichen würden.
Nördlich des Kristallsees trennten die Kristallberge das Land. Dahinter
erstreckte sich über viele Tagesreisen die Wüste von Arabat. Von dort aus
gelangte man nordöstlich zum Königspalast von Hiobes und Begona. Auf ihrem Weg
spürten Aran und Tilgrem die laue trockene Luft aus der Wüste bis hierher.
Sie ritten ohne Pause bis zum späten Nachmittag. Die Vegetation wurde
üppiger und einige große Sträucher und Bäume spendeten Ihnen Schatten, je
weiter sie sich von der Wüste im Norden entfernten. Auf einer kleinen Lichtung
schlugen sie ihr Nachtlager auf und während Aran einen Stapel Holz für ein
Feuer aufschichtete, lud Tilgrem die Pferde ab und band sie lose an einen Baum.
Die Tiere hatten sich an sie gewöhnt und würden auch so in ihrer Nähe bleiben.
Aber Tilgrem wollte lieber kein Risiko eingehen. Aran sah vom Holzstapel aus,
wie er ihnen den Hals tätschelte, und beiden leise
etwas zuraunte.
Zum Abend wurde es wieder kühler. Beide setzten sich ans Feuer und
ließen sich die von Riwana so liebevoll zusammengestellten Leckerbissen
schmecken. Auch ein neues Bierfässchen hatte Tilgrem mitgenommen. Sie nahmen
einige kräftige Schlucke und plauderten ein wenig. Beide waren erschöpft von
dem langen Ritt. Dick in ihre Decken gewickelt rückten sie gefährlich nahe an
das Feuer. Es dauerte nicht lange, und sie wurden des Redens überdrüssig. Jeder
hing seinen Gedanken nach. Aran beobachtete schweigend die züngelnden Flammen
und hoffte, das Feuer würde über Nacht nicht verlöschen. Er legte einige dicke Holzstücke
nach und rutschte auf seinem Platz etwas zurück. Dann wünschte er Tilgrem eine
gute Nacht und mummelte sich fröstelnd noch fester ein.
Schneewehe gab ein Geräusch von sich, das Aran die Augen aufreißen ließ.
Er kannte sein Pferd mittlerweile gut genug, um zu erkennen, dass hier etwas
nicht stimmte. Das Feuer glühte nur noch. Tilgrem schien mit seinem Schnarchen
einen ganzen Wald zu roden. Trotzdem war Aran die Warnung seines Pferdes nicht
entgangen. Sein Schlaf war hier draußen ohnehin nicht sehr fest, aber durch
sein besonderes Gehör entging ihm auch im tiefsten Schlaf kein einziger Ton.
Ohne den Kopf zu drehen oder sich zu rühren wandte er seinen Blick und sah, wie
ein Mann gerade an ihren Reisesäcken herumfingerte. Ein anderer stand etwas
weiter hinten und ein dritter nah bei den Pferden. Durch Tilgrems Schnarchen
wähnten sie sich in Sicherheit, und ohne das geringste Geräusch konnte Aran nach
seinem Dolch greifen, den er, wenn sie im Freien schlafen mussten, auch in der
Nacht am Gürtel trug. Er sprang auf, und rief dem Mann an den Reisesäcken laut
genug, dass Tilgrem davon erwachte, zu:
"Das würde ich nicht tun! Ganz schnell die Finger weg, oder Du
erlebst den Morgen nicht mehr!"
Tilgrem sprang auf, die Axt bereits in der Hand, und brüllte so
markdurchdringend, während er auf die Banditen zulief, dass diese ohne lange zu
überlegen die Beine in die Hand nahmen und davonstürmten, aber einen erwischte er
trotzdem.
"Was wagst Du es, Dich an unseren Sachen zu vergreifen, Du
verderbter Hund?", brüllte er und zog den Mann an seinem Wams dicht vor
sein Gesicht. Wenn Tilgrem in Rage geriet, war er wirklich zum Fürchten und
Aran war froh, ihn nicht zum Feind zu haben.
Der Mann zitterte und stammelte: "Ich wollte nichts stehlen,
wirklich nicht, bitte tu' mir nichts!
"Wer bist Du und wer sind die anderen? Und was macht Ihr hier,
außer Reisende zu überfallen?", schrie Tilgrem.
"Wir haben eine Höhle in der Nähe, dort haben wir ein Warenlager,
aber
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