Arbeit - Leben - Glueck
geben. Ging man früher davon aus, dass ein unbeaufsichtigter Mitarbeiter jede Gelegenheit nutzt, um zu faulenzen, setzt man heute darauf, dass er gerade dann besonders engagiert ist, wenn man ihm möglichst viel Vertrauen schenkt.
Aber wie mit allem kann man es auch mit den Soft skills übertreiben. In ihrem Buch
Schluss mit lustig
schreibt die Unternehmerin Judith Mair, dass ihre einseitige Aufwertung auch negative Auswirkungen haben kann. Wenn es wichtiger ist, wie sich jemand in Szene setzt und was er menschlich draufhat, dann hat man im schlimmsten Fall nichts anderes als eine Truppe freundlicher Schaumschläger, deren Fähigkeiten bei der Herstellung eines guten Betriebsklimas aufhören.
Man sollte die ganze Entwicklung vielleicht als einen Balanceakt betrachten. Im Moment stehen die Soft skills einseitig im Vordergrund, aber im ganzen 19. und 20. Jahrhundert waren die Hard skills, also das Fachwissen und das Können, wichtiger. Wie konnten wir Straßen, Hochhäuser und Atomkraftwerke bauen? Wie konnten wir zum Mond fliegen? Wie konnten wir Autos noch schneller, Häuser noch höher, Computerchips noch leistungsfähiger machen? Im 21. Jahrhundert fangen wir an, anders zu denken. Wir haben schon jetzt viel mehr Möglichkeiten, als wir tatsächlich brauchen. Eine Musik-CD enthält mehr Töne, als wir zu hören imstande |170| sind. Ein Handy hat mehr Funktionen, als wir nutzen wollen. In der Medizin wird das Zuviel an Technik sogar regelrecht beklagt und der menschliche Faktor immer heftiger vermisst: Warum nehmen wir uns nicht mehr Zeit für die Patienten? Warum halten wir Todkranke mit einer Maschine am Leben, statt sie in Würde sterben zu lassen? Menschlichkeit fehlt an so vielen Stellen, dass es verständlich ist, wenn nach einer Phase der Technikbegeisterung jetzt verstärkt danach gerufen wird. Wie können wir besser miteinander auskommen? Wie schaffen wir es, uns einander verständlich zu machen? Wie gestalten wir unsere Welt so, dass möglichst viele Menschen sich darin wohl fühlen?
Niemand würde heute mehr auf die Idee kommen, einen freundlichen Zeitgenossen als angepassten Jasager zu bezeichnen. Und umgekehrt ist ständiges Herumnörgeln kein Zeichen mehr dafür, dass man ein kritischer Geist ist und politisch auf der richtigen Seite steht. Aber wie freundlich, engagiert und kooperativ jemand sein wird, ist auch eine Frage der Zeit. Soft skills sind nichts Gegebenes wie die Augenfarbe oder die Hutgröße, sondern etwas, das sich erst in Zusammenarbeit mit den anderen entwickelt. Oder auch nicht. »Die Chemie stimmt einfach nicht«, heißt es dann. Spannungen und Konflikte in der Arbeitswelt sind deshalb keine Seltenheit. Mehr dazu folgt in den nächsten beiden Abschnitten.
Zwischen Haifischbecken und Kuschelzoo
In den meisten Arbeitswelten herrscht zumindest auf den ersten Blick ein freundschaftliches und kollegiales Klima. Das ist eigentlich ein kleines Wunder, denn hier treffen Menschen aufeinander, die unter normalen Umständen nicht das |171| Geringste miteinander zu tun hätten. Dennoch verstehen sie sich einigermaßen, sehen sich sogar in der Freizeit und verbringen freiwillig noch mehr Zeit miteinander.
Arbeitskollegen können die besten Freunde werden, aber auch die schlimmsten Feinde. Oft brodelt es unter der scheinbar friedlichen kollegialen Oberfläche und eins ist sicher: Jede Arbeitswelt kann sich in ein Haifischbecken verwandeln, und sie ist die meiste Zeit alles Mögliche, nur kein Kuschelzoo. Das ist auch völlig in Ordnung so. Es kann nicht immer nur harmonisch zugehen, und kuscheln soll man nach Möglichkeit zu Hause. Es ist normal, dass gelegentlich Konflikte ausbrechen. Es ist normal, dass man den einen oder anderen Kollegen nicht ausstehen kann. Es ist normal, dass einen selbst auch nicht jeder mag.
Zwischen Haifischbecken und Kuschelzoo gibt es jedoch Bezirke relativer Harmonie, in denen es sich ganz gut aushalten lässt. Niemand will dauernd kämpfen und bis in die Träume hinein von Konflikten am Arbeitsplatz verfolgt werden. Tatsächlich werden auch nur etwa 15 Prozent der Arbeitszeit mit dem Austragen von Konflikten verbracht, das jedenfalls ergab im Jahr 2003 eine Umfrage des Wiener Hernstein-Instituts. Ist das nun eine gute oder eine schlechte Nachricht? Einerseits ist es eine gute Nachricht, denn es zeigt doch, dass Konflikte zumindest bearbeitet werden. Wenn danach alles wieder in Ordnung ist, sind die 15 Prozent gut investierte Zeit. Für den Fall
Weitere Kostenlose Bücher