Arbeit - Leben - Glueck
jedoch, dass die 15 Prozent lediglich Vulkanausbrüche sind, während in den restlichen 85 Prozent der Konflikt weiter vor sich hin schwelt, wäre gar nichts gewonnen.
Was kann man in solch einem Fall tun? Wie lassen sich Konflikte bewältigen? Eins ist sicher – es reicht nicht zu sagen: »Redet halt miteinander.« Das Problem ist, dass viele nicht wissen,
wie
sie miteinander reden sollen, noch dazu mit Leuten, denen sie gerade feindlich gegenüberstehen. Mit pauschalen Ratschlägen wie das Gegenüber ausreden zu lassen |172| oder es zu loben, bevor man es kritisiert, ist es nicht getan. Dazu sind Konflikte oft zu kompliziert und verfahren. Ein gemeinsames Merkmal haben sie jedoch: Jeder hält sich für das unschuldige Opfer. Das folgende Beispiel zeigt eine solche Situation.
Georg ist neu in der Firma Sonnenschein. Gerade hat er seinen Posten als Assistent der Geschäftsleitung angetreten, da kommt auch schon eine Bewährungsprobe auf ihn zu. Der Geschäftsführer besucht eine Niederlassung in Übersee, dessen Stellvertreter ist auf einer wichtigen Messe. Georg ist mit dem Problem allein. Aber er will trotzdem versuchen, den Fall zu klären.
Es geht um Frau Klein. Wie Georg schon weiß, geht es oft um Frau Klein, eine langjährige Mitarbeiterin, die bei ihren Kollegen nicht sonderlich beliebt ist. Niemand will sich mit ihr anlegen, alle fürchten ihre scharfe Zunge. Der Chef anscheinend auch, denkt Georg bei sich, denn sonst hätte der das Problem doch schon längst gelöst. Jahr für Jahr taucht es auf und mittlerweile ist eine so große Verärgerung entstanden, dass es Georg unmöglich scheint, die Sache noch weiter auszusitzen.
Es geht um den Jahresurlaub. Viele Mitarbeiter brauchen lange, bis sie sich darüber klar werden, wann sie Ferien machen wollen, aber Frau Klein gibt schon Anfang Januar ihren Urlaubsantrag für das ganze Jahr ab. Ihr Abteilungsleiter unterschreibt ihn kommentarlos, der Antrag geht zur Personalabteilung und wird dann genehmigt. Da in einer Abteilung aber nicht alle gleichzeitig Urlaub machen dürfen, müssen andere Mitarbeiter auf andere Termine ausweichen.
Wo ist das Problem?, hat sich Georg zunächst gefragt. Dann sieht er, dass Frau Klein ihren Urlaub immer dann nimmt, wenn ein oder zwei Feiertage die Arbeitswoche verkürzen. |173| So hat sie eine oder sogar zwei arbeitsfreie Wochen mehr pro Jahr als die Kollegen. Zum Zeichen, dass die anderen aus ihrer Abteilung das nicht mehr länger hinnehmen wollen, haben in diesem Jahr alle schon im Januar und zu denselben Terminen wie Frau Klein ihren Urlaubsantrag gestellt. Der Abteilungsleiter hat keinen einzigen abgezeichnet, auch den von Frau Klein nicht. Die Stimmung in der Abteilung ist auf dem Tiefpunkt, denn jetzt liegt der Ärger offen zutage:
Der Abteilungsleiter ist verärgert, weil er seine Leute nicht zur Vernunft bringen konnte und die Sache in der Geschäftsleitung gelandet ist. Die Mitarbeiter wissen doch, dass nicht alle zur selben Zeit Urlaub nehmen können. Trotzdem beharrt jeder auf seiner Forderung und er muss es nun ausbaden.
Frau Klein ist wütend, weil sie den gewünschten Urlaub nicht genehmigt bekommt. Ihrer Meinung nach steht ihr das zu. All die Jahre zuvor war es kein Problem, nun soll es auf einmal eines sein? Was konnte sie dafür, dass die anderen ihren Antrag immer erst später im Jahr abgaben? Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. So sieht es Frau Klein und hat sich beim Betriebsrat beschwert. Sie fühlt sich von ihren Kollegen schikaniert und wird sich nichts gefallen lassen.
Die Kollegen sind enttäuscht und verbittert. All die Jahre haben sie die Sache geschluckt, und nun, wo sie einmal aufbegehren, bittet der Abteilungsleiter ausgerechnet sie um Vernunft. Warum hat er sich nicht schon früher um Gerechtigkeit bemüht? Dann wäre es erst gar nicht so weit gekommen.
Kann Georg den Konflikt lösen, bevor seine Chefs zurück sind oder soll er lieber die Finger davonlassen?
Was müssen die Beteiligten verstehen, bevor wieder Frieden einkehren kann?
|174| Es ist möglich, Konflikte am Arbeitsplatz mit bordeigenen Mitteln zu lösen. Man bringt die Konfliktparteien an einen Tisch, sie schildern ihre Sicht der Dinge und begreifen, dass es nur
eine
Sicht der Dinge ist. Das Letztere ist der schwierigste Schritt und zugleich die Voraussetzung für die Lösung des Konflikts. Jeder kann nur dann auf den anderen zugehen, wenn er die Sicht des anderen gelten lässt, auch wenn er sie nicht billigt.
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