Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition)
einer Maschine verrichtet werden könne, auch von einer Maschine verrichtet werden soll, damit die Menschen frei für interessantere und schöpferische Arbeit würden. Und vielerorts geschieht genau das, wenn die gesellschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen richtig sind.
Die neue Symbiose, die der Mensch mit seinen Maschinen eingeht, ist vielfach fruchtbar, vereinfacht und erleichtert die Arbeit und befreit den menschlichen Geist für neue Aufgaben. Monotone, gefährliche, geistig anspruchslose Tätigkeiten könnten durch anspruchsvollere, interessante und verantwortungsvolle Arbeit ersetzt werden.
Gedanken darüber, wie wir dafür sorgen können, daß die Voraussetzungen für diese positive, im besten Sinne faire Ersetzung des Menschen durch die Maschinen geschaffen werden, bilden den Schluß der Reise. Die große Frage, die wir alle beantworten müssen, ist, ob wir es schaffen werden, die kommenden Veränderungen und insbesondere ihre ökonomischen und sozialen Auswirkungen so zu beeinflussen, daß das Rennen nicht gegen, sondern in Kooperation mit den Maschinen läuft.
I. VOM BAUERN ZUM BROT
Frank Rieger
1. Auf dem Bauernhof
Viele der Bauernhöfe in Deutschland haben eine lange Geschichte. Die Gebäude sind einige Jahrzehnte, manchmal sogar Jahrhunderte alt. Liebevoll restaurierte, oft noch unterhaltene Fachwerkställe zeugen dann davon, daß Eigentümerfamilien auf den Höfen nicht nur über Hunderte von Jahren zu Hause sind, sondern ebensolange Arbeit hineingesteckt wurde. Umgeben sind typische Bauernhöfe vom eigenen bewirtschafteten Land, die Felder haben jedoch in der Regel nicht das Ausmaß der mecklenburgischen Agrarsteppen. Baumreihen und Alleen strukturieren die Landschaft, Felder, Wiesen, Wälder wechseln sich ab. Entwässerungsgräben zeugen davon, daß der Mensch sich das Land schon lange untertan gemacht hat.
Ein mittelgroßer Hof bewirtschaftet nach heutigen Maßstäben etwa hundert Hektar. Angebaut werden in der Regel drei oder mehr verschiedene Feldfrüchte. Typisch für den mittelgroßen Bauernhof, den wir besuchen, sind Weizen, Mais und Senfsaat. Früher war der Hof zwar etwas kleiner, neben den Feldern gab es allerdings noch Rinderställe. Zu seinen Hoch-Zeiten in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts lebten und arbeiteten fast fünfzig Leute auf dem Hof. Nicht alle waren jedoch unmittelbar mit der Landwirtschaft befaßt: Für fünfzig Menschen mußte auch gekocht, gewaschen und genäht werden. Dennoch beschäftigte ein Hundert-Hektar-Hof alle diese Menschen von Sonnenauf- bis -untergang.
Zwei Knechte waren in früheren Zeiten allein damit beschäftigt, das Vieh zu tränken. Das Wasser mußte aus dem Brunnen hochgezogen beziehungsweise später per Handpumpe gefördert und in die Ställe geschleppt werden. Diese beiden Arbeitsplätze fielen einer relativ simplen Maschine zum Opfer. Eine von einem Motor betriebene Pumpe erledigte die Wasserförderung auf Knopfdruck. Auch auf dem Feld schrumpfte die Zahl der nötigen Landarbeiter mit jeder sukzessiven Technologiewelle.
Über viele Jahrhunderte war das bestimmende Werkzeug zur Feldarbeit das Gespann aus Ochse oder Pferd und Bauer mit Pflug. Ein tüchtiger Bauer mit kräftigem Pferd schaffte es, vom Morgen bis zum Mittag einen viertel Hektar Land zu pflügen. Diese Menge Land nannte man daher »einen Morgen«. Es wird klar, daß für das Beackern von hundert Hektar Feld, also etwa vierhundert Morgen, eine große Zahl von Pferden und Landarbeitern nötig war.
Ackerbau ist weit mehr als praktisch alle anderen menschlichen Tätigkeiten eine Frage des richtigen Zeitpunkts. Zur rechten Zeit zu pflügen, zu düngen, zu säen und zu ernten entscheidet ganz wesentlich darüber, ob der Anbau Erfolg hat. Das bedeutet aber auch, daß man zum richtigen Zeitpunkt etwa für die Aussaat und vor allem bei der Ernte möglichst schnell arbeiten muß. Vor der Mechanisierung war daher zwangsläufig die Anbaufläche pro Bauer eng begrenzt. Zur Ernte wurden zusätzlich noch Helfer angeheuert, um das Korn oder die Kartoffeln möglichst schnell vom Feld zu bekommen.
Der große Mechanisierungsschub in der Landwirtschaft setzte in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Schon seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts gab es verschiedene Maschinen, die zum Beispiel das Strohbinden nach der Ernte zum Teil automatisierten oder die Ausbringung der Saat vereinfachten. Erst nach dem Krieg aber sorgten zwei Faktoren für einen erstaunlich raschen
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