Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition)
Modernisierungsschub. Zum einen waren viele Landarbeiter im Krieg gefallen, in Gefangenschaft oder nicht wieder in ihre alte Heimat zurückgekehrt. Zum anderen waren im Krieg enorme Fertigungskapazitäten für einfache, aber robuste geländegängige Fahrzeuge für die Armee aufgebaut worden.
Diese Fabriken waren nach Ende der Kampfhandlungen erstaunlich schnell wieder produktionsbereit und stellten ihre Fertigung auch aufgrund des Nahrungsmangels direkt auf Traktoren und andere Landmaschinen um. Das Zusammenspiel von akutem Personalmangel und stark fallenden Preisen für die neue Landtechnik führten zu einer drastischen Reduzierung der Anzahl in der Landwirtschaft Tätiger. Mittelgroße Höfe kamen schon Mitte der fünfziger Jahre mit weniger als zehn Arbeitern aus. Damit einher ging eine weitere grundlegende Änderung der Sozialstruktur der Bauernhöfe. Für so wenige Leute lohnte es sich nicht mehr, extra Köchinnen oder Näherinnen zu beschäftigen. Während zuvor Kost und Logis fester Bestandteil des Arbeitslohns waren, wurde diese Leistung nun in Geld ausgezahlt. Die Arbeiter beziehungsweise ihre Familien mußten sich dann selbst um Behausungen und Essen kümmern.
Nicht nur die Technologieentwicklung und die damit einhergehende Reduktion der nötigen Arbeitskraft, auch die Struktur des Agrarproduktemarktes änderte sich. Heute ist der Hof ein faszinierendes integriertes Landwirtschaftssystem geworden. Auf dem mittelgroßen Bauernhof, den wir besuchten, wird auf einem Drittel der Fläche Futterweizen angebaut, der an 45.000 Hühner in neun großen Bodenhaltungsställen verfüttert wird. Auf einem weiteren Drittel der Fläche wird Mais angebaut. Dieser wandert zusammen mit dem Hühnerkot und Rindermist aus den Ställen des Nachbarn in eine Biogasanlage, die Wärme für die Beheizung der Ställe und Strom für den Verkauf ins Netz produziert. Und wenn das Gemisch aus Mais und Mist fermentiert ist und seine nutzbare Energie in der Biogasanlage abgegeben hat, ist es ein idealer Dünger, der wieder auf die Felder ausgebracht wird. Auf dem restlichen Drittel der Fläche wird angebaut, was an den Agrarmärkten gerade lukrativ ist oder notwendig für die Regenerierung der Böden: Senfsaat, Hülsenfrüchte, Lupine oder auch Brotweizen. Der Hof braucht auf diese Weise praktisch keinen Kunstdünger zu kaufen, lediglich Saatgut und Pestizide müssen noch erworben werden.
Wenn man sich danach erkundigt, wie viele Menschen heute auf dem Hof arbeiten, wird man überrascht. Das fein aufeinander abgestimmte System von Ackerbau, Hühneraufzucht und Biogasanlage ist so durchautomatisiert, daß im Normalbetrieb ein Vollzeit-Landarbeiter zusammen mit einem in einer halben Stelle beschäftigten Landwirt aus der Nachbarschaft die Routineaufgaben erledigt. Mit dem modernen leistungsstarken Traktor läßt sich etwa die vierzigfache Fläche Land in der gleichen Zeit bearbeiten wie in früheren Zeiten mit dem Pferd. Zudem kann der Traktor Kombinationsmaschinen ziehen, die mehrere Arbeitsgänge wie Säen und Eggen in einem Zug erledigen.
Für einen typischen Anbau auf einem Drittel der Felder des Hofes benötigt der Landarbeiter nicht einmal drei Tage. Die Biogasanlage wird morgens einmal mit gehäckseltem Mais und Mist bestückt und arbeitet ansonsten automatisiert und autonom, wenn man einmal von der Wartung alle paar Wochen absieht.
Auch die Hühnerställe arbeiten während der Mastperiode praktisch vollautomatisch. Das Futter wird aus Silos über automatische Förderstrecken in die Ställe transportiert und dort verteilt. Die richtige Zusammensetzung der Getreidearten und notwendiger Beimischungen wie Mineralien und Proteinen erledigt das Steuersystem selbständig.
Jeder Stall verfügt über einen Steuerungscomputer, der Temperatur und Luftfeuchtigkeit permanent mißt und überwacht sowie Futterzusammensetzung, Beimischung von Impfungen und Vitaminen ins Trinkwasser und alle anderen Parameter für die Mast steuert. Auf einem Display neben dem Stall ist in fetter Schrift die Kernkennzahl zu sehen: das Durchschnittsgewicht der Hühner für diesen Stall.
Über die Fläche im Stall verteilt gibt es einige Dutzend kleiner Plattformen, auf die die neugierigen Hühner immer wieder springen. Sie sind einerseits als Spielzeug gedacht, andererseits Meßinstrument. Die integrierte Waage ermittelt das Gewicht des Huhns, der Steuercomputer errechnet aus den Hunderten so entstehenden Messungen pro Tag ein Durchschnittsgewicht für die etwa
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