Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition)
kleine Handvoll Glücklicher, denen dies tatsächlich gelang, dienen als vorgebliche Hoffnungsträger, mit denen Millionen Menschen jeden Morgen aufs neue motiviert werden, wieder brav in ihr Hamsterrad zu steigen.
Doch je geringer der Anteil menschlicher Arbeitskraft – sei es nun geistig oder körperlich – an Produktion und Wertschöpfung wird, desto stärker verschiebt sich das Machtgefüge in der Wirtschaft zu den Besitzern von Kapital, dem ultimativen Produktionsmittel. Ändert sich gleichzeitig nichts an den Grundlagen der Finanzierung von Staat und sozialen Sicherungsnetzen, wird die derzeitig sich immer weiter öffnende Schere zwischen Löhnen und Kapitaleinkommen noch weiter geöffnet.
Die aktuelle Struktur der Steuereinnahmen liefert ein deutliches Bild: Unser Gemeinwesen ist momentan ganz überwiegend aus Löhnen und Gehältern, der Mehrwertsteuer und anderen Konsumsteuern finanziert. Das ist ein Modell, das sich an einer Logik und Wirtschaftsweise orientiert, die die menschliche Arbeitskraft als Kern aller Wertschöpfung ansieht. Eine Umstellung auf ein anderes System, das – ohne weiter dem Fetisch Markt bedingungslos zu huldigen – differenziert betrachtet, ob Menschen oder Maschinen der wesentliche Treiber der Produktion sind, ist unausweichlich, wenn wir nicht eine brutale Spaltung der Gesellschaft riskieren wollen, die die heute schon legitim als ungerecht empfundenen Zustände bei weitem übertrifft.
Es ergibt keinen Sinn, dabei über Konzepte wie eine »Robotersteuer« nachzudenken, dazu sind die Technologien, die die Umwälzungen treiben werden, viel zu komplex, verschiedenartig und diffus. Der Ansatz sollte vielmehr so gestaltet sein, daß die Mehrheit, nicht die Minderheit davon profitiert, egal, wie die kommenden Entwicklungen technologisch aussehen werden. Dazu gehört auch, daß neue Ansätze für die Verteilungsgerechtigkeit gefunden werden, die dazu führen, daß Menschen, deren Arbeitsplatz wegrationalisiert wurde, darunter nicht wirtschaftlich zu leiden haben. Die derzeitige Leistungsideologie, die impliziert, daß jemand, dessen Job wegfällt, selbst schuld daran ist, weil er sich nicht rechtzeitig an die technologiebedingt geänderten Arbeitsmarktumstände angepaßt hat, sollte daher grundlegend revidiert werden.
Nicht jeder Mensch ist in der Lage, dem im Kern inhumanen Ideal vom voll flexiblen, hochmobilen und anpassungsfähigen Arbeitnehmer jederzeit zu entsprechen. Selbst wenn das Bildungs- und Weiterbildungssystem perfekt und nicht wie heute die Umschulungsmaßnahmen zielsicher für ein Technologieniveau ausgelegt wären, das jetzt schon oder ganz sicher demnächst obsolet ist, dürfte es vollkommen unrealistisch sein, die Heere von innerhalb weniger Jahre überflüssig werdender Fernfahrer oder Lagerarbeiter zu Roboterdompteuren oder Energieanlagen-Wartungstechnikern umzuschulen.
Welche konkrete Form eine solche Umverteilung der Automatisierungsdividende haben wird, ob nun das vieldiskutierte bedingungslose Grundeinkommen, eine Förderung von Teilzeitarbeit oder eine zeitliche und finanzielle Ausweitung der Zahlungen bei Arbeitslosigkeit, ist selbstverständlich eine politische Entscheidung. Jedes der vorgeschlagenen Konzepte hat seine Vor- und Nachteile, die sich höchstwahrscheinlich erst durch Ausprobieren und kluges Nachsteuern der Bedingungen und Parameter herausfinden lassen. Das derzeitige Modell, das zu einem finanziellen Wegbrechen der Mittelschicht, großflächiger Verarmung ehemaliger und kommender Niedriglohnempfänger und einer De-facto-Subventionierung von Löhnen führt, die trotz Arbeit nicht mehr zum Leben reichen, ist jedenfalls angesichts der kommenden Technologiewellen nicht viel weiter verlängerbar und zum Scheitern verurteilt.
Schon die anstehenden Veränderungen des demographischen Wandels, die Alterung der Gesellschaft, und die daraus resultierenden Herausforderungen lassen sich mit dem jetzigen System nicht mehr bewältigen. Automatisierung und Roboterisierung bieten auf der technologischen Seite jedoch vielfältige Optionen, um auch älteren Menschen sinnerfüllte und produktive Tätigkeiten zu ermöglichen. Würde man allerdings allein ihre körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit im Vergleich zu jüngeren Menschen als Grundlage ihrer Entlohnung heranziehen, würde die bereits beginnende umfangreiche Verarmung der älteren Generationen unausweichlich. Denn trotz aller Börsenhoffnungen des Riesterrentensystems wird es bei einer weiteren
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