Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition)
loswerden möchten. Auch die Stanzmaschinen sind vollständig computergesteuert. Wann, wo, mit welchem Werkzeug in das Blech geschlagen wird, bestimmt eine digitale Konstruktionszeichnung, aus der die Arbeitsbefehle für die Stanzmaschine errechnet werden.
Die weitere Verarbeitung der Bleche geschieht in einer interessanten Kombination von maschineller und menschlicher Arbeit. Die Rohre etwa, durch die das Korn vom Mähdrescher in den Lkw umgepumpt wird, werden von einer Maschine aus Blechtafeln gerollt, in die zuvor Löcher und Strukturen für Befestigungen und Anbauten gestanzt oder gelasert wurden. Ein Arbeiter legt das Blech in die Rundwalzmaschine ein. Dann schiebt er das dort entstandene seitlich offene Rohr in eine Schweißmaschine, die mit einem speziellen Verfahren, bei dem keine Unebenheiten an der Schweißnaht entstehen, die Blechrolle zu einem geschlossenen Rohr verschweißt. Meist sind noch kleinere manuelle Nacharbeiten an den Enden erforderlich, deswegen liegen Handschweißgerät und Winkelschleifer bereit. Nicht, daß eine Maschine nicht auch diese Arbeiten übernehmen könnte, doch der Mensch erweist sich hier als deutlich flexibler und schneller. Er überblickt nötige Feinarbeiten mit geschultem Blick und hat die Sensorik dafür als Homo sapiens bekanntlich bereits eingebaut.
An anderen Fertigungszellen fährt ein Schweißroboter die Eckkonturen komplexer Blechstrukturen ab, die für den Schweißvorgang von eigens dafür gefertigten Vorrichtungen zusammengehalten werden. Doch während der zuständige Arbeiter die fertiggeschweißten Teile ausspannt, neue Bleche einlegt und sichert, steht der Roboter nicht etwa still. Auf einem Schienensystem ist er statt dessen sofort zur benachbarten Schweißzelle unterwegs, wo schon eine bestückte Vorrichtung mit Blechen darauf wartet, zusammengeschweißt zu werden.
Dieses Prinzip findet sich an praktisch allen Fertigungszellen, wo Menschen den Robotern zuarbeiten: Während der Roboter arbeitet, bereitet der Mensch den nächsten Arbeitsgang für ihn vor. Meist sind die Maschinen hinter Schutzwänden und -zäunen verborgen. Die Roboterarme bewegen sich mit einer Geschwindigkeit und Kraft, die den Kontakt für Menschen höchst gefährlich machen, deswegen sind die Arbeitsbereiche hier strikt getrennt und durch Schutzschaltersysteme gesichert. Öffnet man eine der Gittertüren während eines Arbeitsgangs, bleibt der Roboter sofort stehen, und eine Rundumleuchte signalisiert den Eintritt einer Person in seinen Aktionsradius.
Viele der Maschinen und Roboter in der Claas-Werkshalle haben Namen, die als liebevoll handgefertigte Blechschilder an den Schutzkäfigen hängen. Der Grund ist nicht nur eine gewisse Vermenschlichung der maschinellen Kollegen, sondern auch ein ganz banal praktischer: Wenn ein Wartungstechniker die Nachricht bekommt, daß Roboter 13B42a einen Defekt hat, muß er jedes Mal erst nachsehen, wo er hinzuradeln und welches Werkzeug er einzupacken hat. Erfährt er hingegen, daß »Gertie« ein Problem hat, weiß er offenbar spätestens beim dritten Mal, wo er hinmuß.
Oben unter der Decke, meist verborgen von der Konstruktion, gibt es eine zweite Ebene der Werkshalle. Hier erstreckt sich ein Labyrinth von gelben Schienen, die sich weit in das Halbdunkel des schier endlosen Raums verzweigen. An diesen Schienen hängend werden wie von Geisterhand kleine, große und riesige Blechteile zwischen den verschiedenen Arbeitsstationen gemächlich hin- und hergefahren. Das Gehäuse eines halben Mähdreschers zieht sanft gleitend über den Köpfen vorbei auf dem Weg zu einer schwimmhallengroßen Reinigungsanlage. Hier wird es in verschiedenen Bädern von Fett, Rückständen und Anhaftungen der Schweißvorgänge befreit.
Auch die Reinigung geschieht vollautomatisch. Kleinwagengroße Metallteile werden in genau bemessenen Zeitabständen in die einzelnen Kammern mit den Reinigungsflüssigkeiten abgesenkt, von diesen umspült, wieder herausgeholt und ins nächste Bad abgesenkt. Am Ende wird das nun gereinigte Teil wiederum automatisch in eine Trocknungskammer gefahren, bevor es im Halbdunkel der Schienenanlage des nur an einigen Stellen der Halle sichtbaren zweiten Stockwerks verschwindet. Kennt man die Arbeitsabläufe genau, kann das Metallteil später wiederentdeckt werden, kurz bevor es in eine menschenleere, versiegelte Halle mit den automatischen Farbspritzrobotern gefahren wird.
Die meisten Arbeitsstationen, an denen die Blechteile der Mähdrescher
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