Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition)
werden. Diese und andere moderne Landmaschinen sind vom Schnitter mit der Sense auf dem Feld ungefähr so weit entfernt wie ein modernes Hybridauto vom Pferdefuhrwerk.
Die Ausmaße des Hallenkomplexes machen viele Wege weit, deswegen sind einige hundert Firmenfahrräder im Einsatz. Auch die Werksfeuerwehr nutzt Drahtesel: In Feuerwehrrot lackiert, werden sie weniger zum Löschen als vielmehr für die permanenten Brandschutzinspektionen verwendet. Die sind auch unbedingt nötig: An vielen Arbeitsstationen bratzt und zischt es, riecht es nach Verbranntem. Funken stieben von Schleifscheiben, glühende Metallteilchen fliegen durch die Luft, grelle Blitze der Schweißroboter werden von den Wänden reflektiert. Die surrenden Roboter selbst sind hinter ihren Schutzvorhängen und Abschirmwänden auf den ersten Blick noch gar nicht auszumachen.
Fast alle Blechteile, aus denen hier ein Mähdrescher gefertigt wird, entstehen an verschiedenen Arbeitsstationen, die an der Peripherie der riesigen Werkshalle angeordnet sind. Lkws liefern dicke Blechpakete an einer Ladestraße an, von wo aus die Bleche direkt in computergesteuerte Laserschneidanlagen eingelegt werden. Auf einem großen Arbeitstisch, umgeben von Schutzwänden, bewegt sich in atemberaubender Geschwindigkeit ein Schneidkopf. Durch ihn wird der Laserstrahl, der in einer Anlage so groß wie eine Litfaßsäule erzeugt wird, auf das Blech gelenkt. Die Energie des gebündelten Lichts ist so stark, daß das mehrere Millimeter starke Stahlblech mühelos und mit höchster Präzision zerteilt wird.
Wie das Schnittmuster für ein Kleidungsstück sieht die Linienstruktur aus, die der Laser in das Blech schneidet. Statt Teile von Hosenbeinen oder Ärmeln entstehen hier jedoch die genau konstruierten Rohteile von Dreschsystemen, Schneidwerken und Karosserien direkt aus den digitalen Konstruktionsdaten, aus denen die Bewegungsbefehle für den Laser berechnet werden. Zurück bleiben nur minimale Reste des Stahlblechs. Wie beim Bekleidungsschnittmuster der Stoff möglichst optimal genutzt werden soll, wird auch die Fläche des Blechs fast vollständig verwendet. In den Zwischenräumen, die durch Kurven und Rundungen an großen Teilen entstehen, sind in den Konstruktionsdaten zu schneidende Kleinteile plaziert.
Ein einziger Arbeiter bedient zwei dieser großen Laserschneidtische. Wenn ein Arbeitsgang abgeschlossen ist, sortiert er die ausgeschnittenen Blechteile zur weiteren Bearbeitung auf verschiedene Paletten und Kisten, die dann zu den Schweißstationen transportiert werden, bei denen die zweidimensionalen Bleche zu dreidimensionalen Teilen zusammengefügt werden. Das wenige nicht genutzte Blech, das ein bißchen wie das Skelett eines Herbstblatts mit dünnen, stehengebliebenen Rippen aussieht, wandert in die Recyclingkiste. Sogleich wird automatisch die nächste Blechtafel in die Lasermaschine geladen und die nächste Partie Teile ausgeschnitten – ohne Pause, computergesteuert, genau für den geplanten Bedarf der Produktionsstraße.
Nebenan ertönt lautes rhythmisches Knacken und Klopfen. Hier fährt eine computergesteuerte Stanze in einem menschenleeren Raum über mehrere Meter große Blechtafeln. Die Maschine kann das Blech auf verschiedenste Weise bearbeiten: Teile können ausgestanzt werden, Schlitze und Löcher durchbrochen, aber auch die Steifigkeit verstärkende Rippen und Nuten können hineingeschlagen werden. Dazu verfügt die Maschine über mehr als ein Dutzend Werkzeuge, die in automatischen Haltevorrichtungen bereitgehalten werden. Je nach Steuerungsanweisung klinkt die Maschine das richtige Werkzeug ein, bewegt den Stanzkopf an die vorbestimmte Stelle und schlägt mit ihrer tonnenschweren Wucht zu. Weniger als eine halbe Sekunde später folgt der nächste Schlag, pausiert wird nur, wenn ein Werkzeug abgelegt und neues in den Stanzkopf eingerastet wird.
Am Ende des Arbeitsgangs sammelt ein Roboterarm mit Dutzenden von Saugnäpfen die fertiggestanzten Blechteile von der Arbeitsfläche. Walzen befördern die stehengebliebenen Blechreste zu einem Schredder, in dem sie für das Recycling kleingehäckselt werden. Der Saugnapfroboter legt währenddessen bereits die nächste Blechtafel auf, Maschinenstillstand gibt es hier nur für Wartung und Reparatur. Wenn nichts Unvorhergesehenes geschieht, benötigt die Stanze die Aufmerksamkeit des Menschen lediglich, wenn ein neuer Blechstapel nachgelegt werden muß oder die häufig anzutreffenden interessierten Besucher Fragen
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