Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition)
von Beilagen – etwa den Werbezetteln der Supermärkte mit den Sonderangeboten für Brot … Die Zeitungsbündel werden dann per Hand in die bereitstehenden Auslieferfahrzeuge verladen. Andere Tätigkeiten in der Versandhalle sind das Korrigieren von fehlerhaft eingelegten Beilagen, das Zusammenstellen von Bündeln verschiedener Zeitungen und Zeitschriften für kleine Läden und Kioske und ähnliche einfache manuelle Tätigkeiten.
Die Hierarchie ist klar: Anspruchsvollere Arbeit, wie etwa die Programmierung und Wartung der verschiedenen Maschinen, wird von den wenigen Festangestellten erledigt. Einfache, austauschbare Tätigkeit, die so weit reduziert wurde, daß weder Ausbildung noch besondere Erfahrungen nötig sind, werden von modernen Tagelöhnern ausgeführt. Meist handelt es sich wieder einmal um die Arbeit, die nur deswegen noch nicht automatisiert wurde, weil die entsprechenden Maschinen im Vergleich zum niedrigen Stundenlohn noch nicht rentabel sind oder wo die Programmierung und Umstellung nicht lohnen würde, da es sich um vergleichsweise kleine Jobs mit geringen Stückzahlen handelt.
Frank Rieger
8. An der Quelle der Energie: Erdölraffinerie
Die Energiequelle, aus der sich unsere moderne Welt speist, ist noch immer das Erdöl. Die heißumkämpfte Flüssigkeit, die aus den Überresten fossiler Organismen entstanden ist, läßt sich leider nicht ohne weiteres in den Tank eines Autos schütten, vorher muß sie in ihre Bestandteile zerlegt werden. Will man erfahren, wie aus dem Rohöl Benzin, Diesel, Schmierstoffe und viele weitere Produkte gemacht werden, führt der Weg in eine Raffinerie, in unserem Fall eine der größten Raffinerien Europas.
Fast jeder hat Bilder und Filme solcher Anlagen schon einmal gesehen: ein unüberschaubares Gewirr aus Rohrleitungen, mysteriösen Türmen und Schornsteinen, meist gut erkennbar an einer immerwährenden lodernden Flamme an der Spitze einer hohen Konstruktion, die wie ein Schornstein anmutet. Wenn man sich dem Gelände nähert, fallen sofort die hinter mehrfachem Stacheldraht und umfangreichen Kamerainstallationen abgesicherten langen Reihen von großen, runden Tankbehältern auf. Dahinter sieht man schon die eigentlichen Raffinerieanlagen aufragen, ein ölig-schwefliger Geruch liegt in der Luft.
Aus dem obersten Stock des Verwaltungsgebäudes, am Rande der Anlage und in einigem Abstand von potentiell explosionsgefährdeten Installationen gelegen, kann man die tatsächlichen Ausmaße einer großen Raffinerie in etwa erahnen, die sich über mehrere hundert Hektar erstreckt. Aus der Vogelperspektive fällt schon auf, daß nur wenige Menschen zu sehen sind: In dem seltsam organisch wirkenden Labyrinth aus Rohrtrassen, unter dem sich ein Raster von schmalen Straßen erstreckt, ist hier und da einmal ein Auto oder Fahrrad und ab und zu ein Arbeiter auf einem Gerüst zu sehen. Hinter dem Verwaltungsgebäude ist ein Ständer, in dem Hunderte Fahrräder stehen, mit denen sich praktisch jeder hier bewegt. Die Anlage ist so groß, daß es sinnlos wäre, sein Ziel zu Fuß erreichen zu wollen. Doch trotz der vielen Fahrräder begegnet man in der Anlage selbst kaum jemandem.
Auf dem eigentlichen Werksgelände kann man sich als Besucher nur in einem Auto fortbewegen, das die vorgegebenen Straßen nicht verläßt. Alles ist übersät mit Warnschildern und großen Hinweistafeln, die für den Eingeweihten klarmachen, was an der betreffenden Stelle produziert oder gelagert wird. Auch Besucher erhalten schon vor dem Betreten Sicherheitshinweise und Verhaltensregeln bei Havarien. So bekommt man einen Besucherausweis, dessen Rückseite mit den allernotwendigsten Sicherheitshinweisen und Verboten bedruckt ist, und ein zusätzliches, ausführliches Sicherheitsbelehrungsblatt ausgehändigt. Breite gelbe Linien auf dem Boden markieren auf dem gesamten Gelände Bereiche, die nur von autorisiertem Personal mit entsprechender Arbeitsschutzausrüstung betreten werden dürfen.
Schon am Eingang verkündet eine Leuchttafel stolz die An zahl der Tage seit der letzten Havarie. Die Sicherheitsfixierung geht sogar so weit, daß Angestellte und Besucher verpflichtet sind, bei der Benutzung von Treppen am Verwaltungsgebäude eine Hand am Geländer zu haben. Auf den ersten Blick mag dieser Arbeitsschutzfetisch etwas übertrieben wirken und Stirnrunzeln beim Besucher auslösen. Wenn man sich jedoch klarmacht, was für gefährliche Prozesse in einer Erdölraffinerie ablaufen und mit welch riesigen
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