Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition)
geringer werdenden Temperatur die verschiedenen Bestandteile des Erdöls quasi sortiert auskondensieren, so wie Wasserdampf aus dem Teekessel an einer kalten Oberfläche.
Die Kondensate werden dann seitlich aus dem Destillationsturm herausgeleitet. In unmittelbarer Nähe stehen weitere, kleinere Destillationstürme, in denen die abkondensierten, aber noch heißen sogenannten »Fraktionen« weiter und feiner destilliert werden. Einige der wichtigsten solcher Fraktionen kennt man aus dem Alltag: Diesel, Heizöl, Kerosin für Flugzeuge, Benzin. Alle diese Treibstoffe verdunsten bei unterschiedlichen Temperaturen und fließen daher auf unterschiedlichen Ebenen des Hauptdestillationsturms ab. In den anschließenden kleineren, spezifischen Destillationsanlagen werden die Rohfraktionen durch gezielte Steuerung von Temperatur und Druck weiter zerlegt und zum Beispiel von Anteilen befreit, die man im Fahrzeugbenzin nicht haben möchte.
Nicht nur die Treibstoffe werden aus dem Öl extrahiert, es werden auch Grundstoffe für viele weitere petrochemische Verfahren gewonnen. Je nach Sorte machen die bekannten Treibstoffe etwa sechzig Prozent des Erdöls aus. Weitere zwanzig Prozent entfallen auf das sogenannte Naphtha. Das ist eine Fraktion aus relativ langkettigen Kohlenwasserstoffen, die der Grundstoff für weitere petrochemische Produktionsprozesse, insbesondere die Kunststoffherstellung ist. Der verbleibende Rest, etwa zehn bis zwanzig Prozent, die am Boden der Destillationsanlage verbleiben, enthalten noch langkettigere Moleküle, aber auch Reste der leichter flüchtigen Ölanteile.
In vielen Raffinerien wird dieser Rest nicht vor Ort weiter aufgeschlossen, sondern etwa als sogenannter Bunkertreibstoff für große Seeschiffe verkauft. Die bei der Verbrennung anfallende Ruß- und Schadstoffmenge ist enorm. Das ist leicht nachzuvollziehen, wenn man weiß, daß diese schwarze, klebrige Pampe auch als Asphalt im Straßenbau verwendet wird. Im Frachtschiff muß der Bunkertreibstoff vor der Abfahrt ebenfalls erst einmal aufgeheizt werden, damit die Masse überhaupt zum Motor gepumpt werden kann.
In einigen Raffinerien gibt es sogenannte Cracker, in denen die Raffineriereste noch weiter aufgespalten werden können. Der Begriff »Cracker« verweist auf das Zerlegen der Kohlenwasserstoffe, die bei Temperaturen von vier- bis fünfhundert Grad Celsius zu kleineren Molekülen werden. Es gibt verschiedene Verfahren dafür: mit heißem Dampf, mit speziellen Katalysatoren, unter Zugabe von Wasserstoff oder Kombinationen dieser Methoden. Ziel ist in jedem Fall, die langen Kohlenwasserstoffketten der Moleküle zu kürzeren Ketten aufzuspalten und so Stoffe mit anderen Eigenschaften zu erzeugen.
Die Bandbreite von Stoffen, die aus dem Erdöl destilliert oder gecrackt werden, ist enorm. Das feste Bitumen, auf dem Autos und Lkws über die Straßen rollen, wird genauso wie das wachsartige Paraffin und verschiedenste Schmierstoffe und -öle aus Erdöl erzeugt – wie leichtes und schweres Heizöl, Diesel, Benzin und Flugzeugtreibstoffe. Im besten Fall bleibt vom Rohöl, das in die Raffinerie fließt, nichts übrig. Sogar ehemalige Schadstoffe, wie etwa der Schwefel, der aus Umweltschutzgründen aus den späteren Treibstoffen extrahiert wird, kann aufbereitet, gereinigt und verkauft werden.
Die Menge des dabei anfallenden Schwefels ist durch die Verarbeitung von immer mehr schwefelhaltigem Öl so groß geworden, daß es sich praktisch nicht mehr lohnt, wie früher Schwefel durch Bergbau zu gewinnen. Da das gelbe Element ohnehin aus dem Öl entfernt werden und irgendwo verwendet oder endgelagert werden muß, können die Raffineriebetreiber praktisch jeden Preis unterbieten. Auch die Schwermetalle – aus den Erdölbestandteilen mit hohem Aufwand vor dem Verkauf entfernt – werden getrennt, gereinigt und an entsprechende Industrien verkauft. Dazu gehört etwa die Stahlindustrie, welche die im Erdöl häufig anfallenden Elemente Chrom und Vanadium gern zur Legierung hochwertiger Stähle einsetzt.
Seit kurzem wird sogar das in gigantischen Mengen bei der Erdölverarbeitung anfallende Kohlendioxid genutzt. Es wird gereinigt und einer der an die Raffinerie angedockten Firmen zur Verfügung gestellt. Sie leitet das klimaschädliche Gas per Pipeline zu umliegenden Gewächshäusern, in denen die Atmosphäre damit angereichert wird. Pflanzen und ihre Früchte – wie etwa Tomaten – wachsen schneller und größer, wenn sie mehr Kohlendioxid zur
Weitere Kostenlose Bücher