Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition)
Nutzer und Kunden zu besitzen ist weitgehend zu einem Selbstzweck geworden – getrieben durch das Versprechen, daß man aus diesen Daten erhebliche Rationalisierungs- und Effizienzsteigerungspotentiale und damit höheren Profit realisieren kann, wenn man sie denn nur mit entsprechend guten Algorithmen auswertet.
Doch die Automatisierung macht nicht halt in der physischen Welt. Sie geht weiter in die nächste Domäne, die bisher als genuin menschlich betrachtet wurde: die Automatisierung des Denkens.
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14. Die Automatisierung des Geistes
Schon von jeher brachte man Maschinen zum Markt, welche die Menschen außer Nahrung setzten, indem sie die Arbeiten derselben besser und schneller ausführten. Denn zum Unglück machten die Maschinen alle Zeit recht gute Arbeit und laufen den Menschen weit vor. Daher suchen Männer, die in der Verwaltung wichtiger Ämter es zu etwas mehr als träger Mittelmäßigkeit zu treiben wünschen, soviel sie können, ganz maschinenmäßig zu verfahren; um wenigstens künstliche Maschinen abzugeben, da sie unglücklicherweise keine natürlichen sein können.
Jean Paul (1763–1825)
Wer denkt, sein Arbeitsplatz sei zukunftssicher, weil er Denkleistungen erfordert, die nicht ohne weiteres von einem Computer übernommen werden können, befindet sich möglicherweise in einem großen Irrtum. Die Automatisierung des Geistes, die Ablösung menschlicher Hirntätigkeit durch Software und Algorithmen, hat das Potential, die Arbeits- und Lebenswelt noch stärker zu verändern, als es durch die Roboterisierung und Automatisierung der Produktion bereits eingeleitet worden ist.
Das Faszinierende dabei liegt darin, daß dieser Prozeß weitge hend unbeachtet von der Öffentlichkeit stattfindet. Dabei spielt si cher eine Rolle, daß vieles – anders als bei der Roboterisierung – nicht leicht zu verstehen und darzustellen ist und es keine augenfällige Bebilderung für die Medien gibt. Wer will schon andauernd die immer gleichen Archivbilder von dramatisch ausgeleuchteten Tastaturen und Monitoren mit bedrohlich kreisenden Nullen und Einsen sehen? Die Effekte der Computerisierung kognitiver Aspekte sind weitaus subtiler und verborgener, als wenn in der Fabrikhalle an der Stelle nun Roboter stehen, wo vor einem halben Jahr noch Menschen schafften.
Oft geht nicht nur die Automatisierung physischer Vorgehensweisen mit einer grundlegenden Änderung der Art und Weise einher, wie ein Geschäftsvorgang geschieht. Ein recht plastisches Beispiel, an dem sich das Prinzip erklären läßt, ist die Art, wie wir unsere Bankgeschäfte abwickeln. Früher gab es zahlreiche Filialen mit jeweils etlichen Mitarbeitern, die sich um Ein- und Auszahlungen kümmerten, an denen man seine papiernen Überweisungszettel abgab oder um einen Kredit nachsuchte. Heute gibt es zwar auch noch Filialen, aber weitaus weniger und mit viel weniger Personal.
Überweisungen erledigen wir heute oft online oder am bereitstehenden Automaten, genau wie Aus- und zunehmend auch Einzahlungen von Bargeld. Der Bargeldanteil insgesamt ist allerdings zugunsten von elektronischen Zahlungsmitteln zurückgegangen, seien es Überweisungen, Kreditkarten, PayPal oder EC-Karten. Nichtalltägliche Probleme mit dem lieben Geld klärt man mit der Bank-Hotline. In die Filiale läuft man nur noch, wenn man beispielsweise aus einem schon fast atavistischen Impuls doch einmal für einen Kreditwunsch mit einem Menschen reden will, statt seinen Antrag online in die Datenbanken des Instituts einzutippen.
Echte Entscheidungsgewalt hat aber der Bankmitarbeiter nur noch sehr begrenzt. Bei allem, was über eine kurzfristige Erhöhung des Dispolimits hinausgeht, folgt auch er nur noch den Anweisungen der Algorithmen in der Software, die er über den Computer auf seinem Tisch bedient. Gibt etwa die Bewertung der Kreditwürdigkeit eine schlechte Note, deren Zustandekommen der Mitarbeiter auch gar nicht nachvollziehen kann, und damit eine Empfehlung zum Ablehnen, besteht sein Handlungsspielraum oft nur noch in der Tätigkeit, dies dem Kunden schonend beizubringen. Der einzige echte Vorteil der direkten menschlichen Interaktion ist, daß der Bankmitarbeiter häufiger aus Erfahrung mit Dutzenden oder Hunderten Vorgängen und der Kenntnis der internen Richtlinien der Bank in der Lage sein kann, nicht offensichtliche Wege zu nehmen, um den Kundenwunsch doch zu erfüllen.
Seine eigentliche Hauptaufgabe ist jedoch eine andere: sogenannte
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