Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition)
Gelenksbelastungen und anderen Anstrengungen, führt oft dazu, daß an den Montagebändern Menschen über fünfzig nur selten anzutreffen sind. Die Arbeitsplätze mit Hilfe von flexiblen, intelligenten Robotern so umzugestalten, daß sie zum einen weniger körperlich belastend sind und zum anderen durch stärkere Kontrolle und mehr Einfluß auf das Vorgehen bei der Automatisierung auch für die jüngere, digitalaffine Generation attraktiv werden, ist zumindest das postulierte Ziel bei den Autobauern, bei denen schon heute der größte Teil der konventionellen Industrieroboter steht.
Ein weiterer Antrieb zur Flexibilisierung der Automatisierung ist, daß Industrieprodukte heute in immer stärkerem Maße individualisiert werden. Wer sich einmal durch den Konfigurationskatalog für ein aktuelles Oberklassefahrzeug geklickt hat, fragt sich schnell, wie die Autohersteller Hunderte von möglichen Ausstattungsvarianten im Griff behalten. Dahinter stecken ausgeklügelte Computersysteme, die für jedes Fahrzeug Datensätze führen, die vermerken, welche Teile darin verbaut werden müssen, ob der Lagerbestand der Teile ausreicht, welche Abhängigkeiten verschiedene Kombinationen von Ausstattungsvarianten zueinander haben, und dafür sorgen, daß die Teile zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle am Montageband sind und die Arbeiter die passende Montageanweisung haben.
Die Erweiterung dieses Prinzips wird derzeit gern unter dem Schlagwort »Industrie 4.0« gehypt. Die Idee dabei ist, daß jedes Werkstück oder Produkt in einer vernetzten, flexibel automatisierten Fabrik seine Arbeitsanweisungen für Maschinen und Menschen direkt als digitalen Datensatz mit sich führt. Anhand computerlesbarer Barcodes oder Funketiketten am Produkt selbst soll die Fabrik die entsprechenden Fertigungsanweisungen erhalten. Roboter sollen so wissen, welches Werkstück gerade vor ihnen liegt und wie es zu greifen ist, Bearbeitungsmaschinen erfahren, was zu fräsen, bohren oder stanzen ist, Lagerroboter kennen den richtigen Ablageort, und Wartungstechniker haben automatisch die korrekte Reparaturanleitung auf dem Bildschirm.
Damit diese Vision Realität werden kann, ist ein weiterer Sprung der Digitalisierung und Vernetzung aller Arbeitsschritte erforderlich. Schon in der Konstruktion der Teile, die bereits heute weitestgehend am Computer erfolgt, müssen weit stärker als bisher die späteren Verarbeitungsschritte zur Herstellung des Teils mit eingeplant werden. Das klingt einfacher, als es in der Praxis ist. Eine Fülle von verschiedenen Datenformaten und Softwaresystemen muß miteinander integriert werden. Alle Systeme von der Rohmaterialerzeugung über die Qualitätssicherung, die Teilebeschaffung, den Transport, die Lagerhaltung, die Produktions- und Personalplanung, die Verarbeitungsmaschinen und -roboter, die Auslieferungslogistik bis hin zum Verkauf müssen dann untereinander verbunden werden.
In seinen Dimensionen ähnelt das Konzept stark der Vision von der kybernetischen Wirtschaft aus den sechziger und siebziger Jahren. Der große Unterschied dabei ist jedoch, daß die Software nicht mehr zentralisiert und hierarchisch strukturiert ist. Jede Entität im »Industrie-4.0«-Konzept ist relativ autonom, sie folgt eigenen in Algorithmen gegossenen Optimierungszielen und Zielparametern – auf allen Ebenen.
Ein Verarbeitungsbetrieb etwa möchte seine computergesteuerten Fräsmaschinen bestmöglich, aber zu einem mindestens kostendeckenden Preis auslasten. Die Software der Fertigungszelle, bestehend zum Beispiel aus zwei Roboterarmen, einem Transportroboter und fünf Fräs- und Drehmaschinen, ist darauf optimiert, die Bearbeitungszeit für die einzelnen Aufträge und den Maschinen- und Werkzeugverschleiß so klein wie möglich zu halten, ohne daß die vorgegebene Qualität leidet.
Daraus leitet sich dann wieder die Parameterwahl für die Software ab, die steuert, wie der Fräskopf durch das Material des Werkstücks bewegt wird: Zu schnell, und der Werkzeugverschleiß steigt, während die Bearbeitungszeit und die Qualität sinken. Zu langsam, und der Arbeitsvorgang dauert zu lange und senkt den erzielbaren Gewinn. Die Steuerungssoftware jeder dieser Entitäten kommuniziert mit ihren Nachbarn und der sie koordinierenden nächsthöheren Ebene. So melden etwa alle Fräsmaschinen einer Fertigungszelle die errechnete Laufzeit ihres derzeitigen Auftrags und ihren Wartungszyklusstand an die Software, die Aufträge für die Zelle annimmt, so daß
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