Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition)
Anheuerung von Beratern ist, nämlich als externer Grund und Sündenbock für Entlassungen zu dienen. Da die Consultants aber in nichts so erfinderisch sind, wie ihre eigene Existenz und Notwendigkeit zu rechtfertigen, und die Auftragsvergabe oft ohnehin nicht nach objektiven Kriterien, sondern über persönliche Netzwerke erfolgt, ist dieser Effekt wohl nicht in unmittelbarer Zukunft zu erwarten.
Welche Arbeitsplätze im Bereich geistiger Tätigkeiten mittel- und langfristig noch sicher sind, ist nicht leicht vorherzusagen. Klar ist aber, daß Softwareentwicklung, Design, Konstruktion sowie Koordination und Management solcher Arbeiten zwar immer stärker von Softwarewerkzeugen mit eingebauter »künstlicher Intelligenz« profitieren, aber noch sehr lange nicht vollständig durch Algorithmen ersetzbar sein werden.
Verwaltung, Logistik und Planung sind hingegen mittelfristig Bereiche, in denen immer weniger Menschen nötig sind. Echte kreative Berufe, bei denen die Konsumenten der Ergebnisse Menschen und nicht Maschinen sind, werden ebenfalls von immer besseren »Denkzeugen« profitieren, aber mit Sicherheit noch lange in der Hand des Menschen bleiben.
Ein wesentliches Merkmal der Ersetzung von Menschen durch Maschinen im Bereich nichtkörperlicher Arbeit, das gern übersehen wird, ist aber, daß sich diese Substitution enorm schnell vollziehen kann. Einen Menschen vor dem Computer durch ein Programm im Computer zu ersetzen erfordert keine so teuren Investitionen wie in kostenträchtige Roboter und Automatisierungstechnik. Der Sportredakteur, der heute noch Drittligaspielberichte tippt, kann so schnell, wie es seine Kündigungsfrist erlaubt, durch Software ersetzt werden. Gleiches gilt für viele andere Berufe, deren Arbeit primär darin besteht, ein menschenkompatibles Interface zur im Hintergrund steuernden Software zu sein – wie etwa im Callcenter.
Neue Arbeit im Zuge der Automatisierungswellen entsteht zuerst im nichtkörperlichen Bereich. Das geschieht oft in Branchen, in denen niemand wirklich damit gerechnet hat – etwa bei Computerspielen. Das Problem ist jedoch, daß die Arbeitsplätze, beispielsweise als Gamemaster oder Supportkraft in Online-Rollenspielen, meist eher gering entlohnt werden und zumindest bisher nur für eine jüngere Schicht interessant waren. Zukünftig könnte sich das natürlich ändern, in zwanzig Jahren sind die älteren Arbeitnehmer schließlich die vielzitierten »Digital Natives« von heute.
Viele andere neue Jobs in der so gern umjubelten »digitalen Wirtschaft«, die Social-Media-Berater, Internetagenturen und Webdesigner, sind bisher mehr Schein als Sein. Prekäre Arbeitsverhältnisse, umfangreiche Selbstausbeutung und ein finanziell genügsames Hangeln von Projekt zu Projekt, unterbrochen von Phasen der Abhängigkeit von Sozialleistungen, kennzeichnen die Branche. Wie immer, wenn sich neue Selbstverständlichkeiten herausbilden, die bald zum digitalen Alltag gehören, gibt es ein Überangebot an Beratern und Dienstleistern, die vom kurzfristigen Unwissen und Nichtverstehen der Unternehmen, Parteien und Medien profitieren wollen.
Für einen kurzen Moment sehen diese Arbeitsplätze aus wie das Paradies: allein durch seinen Wissensvorsprung, Selbstmarketing und ein wenig Cleverneß genug Geld zu verdienen, um die Zeit zu haben, den Vorsprung vor dem Mainstream zu halten oder gar auszubauen. Leider funktioniert das immer nur für eine vergleichsweise kurze Zeit, dann kommen zu viele andere auf die gleiche Idee. Obendrein führt die nächste technologische Innovation zur Banalisierung des einstmals tollen Wissens und Kennens.
Während in den ersten Jahren des Internets das Aufsetzen eines Webservers und die Gestaltung der Webseite eine Aufgabe für Experten war, die sogar durchaus viel Geld dafür nehmen konnten, sind die meisten Ansprüche heute mit Standard-Baukastensystemen oder gar nur einer Facebook-Seite zu befriedigen, die der Praktikant zusammengeklickt hat. Mit den darin enthaltenen Gestaltungsvorlagen, die einen halbwegs professionellen Eindruck machen, auch wenn sie so kreativ und abwechslungsreich sind wie ein Reihenhaus aus dem Baumarktkatalog, geben sich viele ehemalige Auftraggeber der Webagenturen gern zufrieden, weil sie einen Batzen Geld sparen können. Auch hier ist es nicht nur die Technologie, die Designer und Gestalter um ihre Auftragslage bangen läßt, sondern die Änderung des Üblichen, des als adäquat Angesehenen. Wenn alle mit den kostenfreien
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