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Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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Assuan.
    Dann fuhren sie los, südwärts zum Takûk-Berg bei Nasser City. Sie kamen an vielen Inseln vorbei, die als Naturschutzgebiet ausgewiesen waren. Nach einer Weile zeigte Hassûna ihnen linker Hand das Haus von Muhammad Munîr. In einem Englisch, das dem der Dragomane bei den Pyramiden von Gisa ähnelte, erklärte er, Munîr sei ein nubischer Sänger und zähle zu den musikalischen Berühmtheiten Ägyptens. Anschliessend kam Hassûna auf seinen Bruder Munîr zu sprechen, der seit Jahren als Taxifahrer in Kairo arbeite und eine Stimme wie Muhammad Munîr habe.
    Das Boot geriet in einen Strudel. Das Wasser wirbelte wie in einem Mixer, der mit über einer Million Volt betrieben wird. Gleichzeitig hob ein heftiger Wind aus nördlicher Richtung an. Murtada überraschte seine Frau, indem er beherzt wie nie zuvor Deborahs Hände umfasste und ihre Augen küsste.
    Felseninseln, so zahlreich wie Sterne am Himmel. Der Nil blau wie Deborahs Augen. Ein Baum hier, eine Palme dort, feiner Sand, der mit dem Horizont verschmilzt. Schwarz die Felsen, blau das Wasser, grün die Pflanzen, gelb der Sand: eine grandiose Komposition. Eine Landschaft mit dem Duft des Paradieses. Richard war in einen ekstatischen Zustand entrückt, er fühlte sich wie ein Künstler, der durch ein Bild glitt, das er selbst nie hätte entwerfen können. Kurosawa hatte in seinem Film Träume durch van Goghs Visionen zu wandeln versucht. Und nun wandelte er, Richard, durch Gottes Visionen.
    Hassûna hatte auch seine Freude. Den ganzen Tag beobachtete er die Unterschiede zwischen Engländern und Italienern und musste hin und wieder ein Lachen unterdrücken. Chiara, die Italienerin, gab ihrer Begeisterung alle paar Minuten kreischend Ausdruck, worauf ihr Mann jedes Mal aufsprang und die Ansicht fotografierte, auf die sie zeigte. Und im nächsten Moment hielt sie sich juchzend den Kopf mit beiden Händen. Deborah dagegen verzog keine Miene, obwohl sie von dem Farbenspiel wie berauscht war. Murtada war der Einzige, der die ganze Pracht mit seinem Geruchssinn auskostete, der bei ihm schon immer am stärksten ausgeprägt war. Ein völlig neuer Duft umgab ihn, von Weizen und schwarzem Honig. Ganz und gar davon eingehüllt, tauchte Murtada in eine tiefe innere Stille. Zum ersten Mal im Leben hatte er das Gefühl, zu Hause zu sein. Das Gefühl, alles, was er sah, gehöre ihm. Überwältigt davon, ging ihm das Herz über. Sein Dorf, dachte er, war voll von ausländischen Geräten und Autos, von Zement und Eisen. Auch die Kleidung war fremd. Hier dagegen sass er in einem Boot, wie es auch schon in pharaonischen Zeiten gebaut worden war. Kleider wie die von Hassûna wurden schon vor Jahrtausenden von Ägyptern geschneidert. Die Inseln gehörten ihnen, ebenso der Nil. Die Häuser am Ufer wurden nach nubischer Tradition mit Steinen aus der Umgebung gebaut. Farben, Seile, Statuen, selbst Hassûnas Lederpantoffeln kamen aus eigener Produktion. Ausnahmslos alles hier roch nach ägyptischem Weizen. So hatte Murtada noch nie empfunden, er hatte auch nicht damit gerechnet, je solche Gefühle kennenzulernen. Wir leben auf Kosten einer anderen Zivilisation, dachte er, hier dagegen sind wir die Zivilisation!
    Murtada weihte Hassûna in seine Gedanken ein.
    »Das nubische Volk ist in der Tat eines der edelsten Völker«, bestätigte dieser. »Im britischen Unterhaus soll es eine Statue geben, die einen Nubier darstellt und deren Sockel eine sinnentsprechende Inschrift trägt. Leider ist es aber keineswegs so, Doktor Murtada, dass hier alles uns gehört. Tatsache ist vielmehr, dass unser Land überflutet wurde. Und die wenigen Inseln, die uns geblieben sind, werden eine nach der anderen verkauft. Man erklärt sie zum Schutzgebiet, kurz darauf entstehen dort Hotels, und dann erfährt man, dass hochrangige Personen aus der Politik am Verkauf beteiligt sind. Wer reich ist, heuert für den eigenen Schutz einfach ein paar Schlägertypen an. Das Problem ist: Wer heute über Eigentum verfügt, kann morgen verkaufen, an wen er will. Und Interessenten gibt es wie Sand am Meer. Die Nubier besitzen von all dem hier nichts. Früher hatte jede Familie ein grosses Haus mit fünf Feddan Ackerland. Aber das Land wurde lebendig begraben, und wir wurden in enge Gänge gepfercht, die geradewegs ins Verderben führen. Einst konnte jeder Nubier von der Landwirtschaft leben, heute dagegen müssen wir uns mit jämmerlichen Krumen begnügen. Wir sind ein Volk von Ackerbauern, aber Sadât hatte sich in

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