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Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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gibt. Na ja, von so einem armen Land wie Ägypten ist wohl auch nichts anderes zu erwarten. Aber im Vergleich zu Assuan ist selbst London eine Mülltonne. Ich muss ihn morgen unbedingt nach seinen Vorfahren fragen, ihm kann nicht einmal Nefertari das Wasser reichen. Allerdings könnte er mich dann auch nach meiner Herkunft fragen, und dann müsste ich zugeben, dass ich als Brite von einem einäugigen Piraten abstamme.
    M urtada und Deborah zogen sich in ihr Zimmer mit herrlichem Blick auf den Nil zurück. Richard wollte seine Aufnahmen ausdrucken und machte sich auf die Suche nach einem Fotogeschäft. An der Nilpromenade unweit des Hotels fand er eins. Er zog ägyptische Banknoten aus einem Geldautomaten, druckte ein paar Fotos von Hassûna aus und kehrte zurück in sein Zimmer an den Schreibtisch. Papier, Stifte und die Fotos vor sich ausgebreitet, begann er, von Sehnsucht erfüllt, Hassûnas Gesicht zu malen.
    E in Lied auf den Lippen, kehrte Hassûna heim. Fâtima legte den Säugling ins Bett und musterte ihren Mann liebevoll. »Na, hat dein Ärger nachgelassen? Ist der Wirbelsturm vorüber?«
    Übers ganze Gesicht strahlend, zog Hassûna sechs Zehnpfundscheine aus der Tasche.
    »Wie schön du wieder lachst. Wenn du lachst, lacht die Welt mit dir.«
    Fâtima hatte im Laufe der Jahre gelernt, sich zu ducken, wenn der Wirbelsturm aufkam, denn er konnte das stärkste Segel zerfetzen und erst recht ein Herz. Sie lebten in einem kleinen Haus, das aus einem Salon und einem Schlafzimmer bestand. Die beiden Räume waren durch einen Flur verbunden, der als Wohn-, Ess- und Spielzimmer genutzt wurde. Hier sass Fâtima am liebsten, genau unter der Lüftungsöffnung in der Wand, die zum Schutz vor Insekten und Kriechtieren mit einem Netz bespannt war. Der Boden war mit bunten Schilfmatten ausgelegt. Kissen in unterschiedlicher Grösse dienten als Sitzgelegenheiten. An der Wand hing das einzige Bild, das es im Haus gab, eine wahre Kostbarkeit, die vielen anderen Nubiern nicht vergönnt war. Die Aufnahme aus dem Jahr 1937 zeigte das Haus von Fâtimas Familie. Das Dorf gab es nicht mehr, es lag nun auf dem Grund des Stausees. Ihr Grossvater hatte damals für die Zeitung Misbâch al-Nûba gearbeitet, ein Kollege hatte das Foto geschossen. Links im Bild waren der Grossvater und drei seiner Kinder zu sehen, im Hintergrund ein grosses nubisches Haus. Doch diese Welt war für immer verloren, wie von einer Bombe ausgelöscht.
    A m darauffolgenden Tag gingen in der Lobby des Old Cataract Hotels über Hassûnas Kopf zwei Bomben hoch. Dabei hätte eine gereicht, um sein Leben zu zerstören.
    Das Pech scheint mich wirklich zu lieben, dass es mir so auf den Fersen ist!
    Die erste Bombe würde freundlicherweise auch das Leben vieler seiner Kollegen zugrunde richten: Das Old CataractHotel sollte in wenigen Monaten für mindestens zwei Jahre schliessen. Eine echte Katastrophe! Was tun? Wie sollte er sich und die Familie durchbringen? Seine Existenz hing schliesslich vom Hotel und von den Gästen ab. Woanders konnte er nicht unterkommen, die Anlegestellen der übrigen Hotels waren alle belegt. Als das Oberoi Hotel vor längerer Zeit wegen Renovierung geschlossen wurde, war das für die dortigen Bootsführer der Untergang. Sie hatten versucht, sich der Old-Cataract-Gruppe anzuschliessen, wurden aber abgewiesen.
    So dreht sich das Rad der Fortuna! Nun verschlingt das Feuer uns.
    Die zweite Bombe dagegen traf nur ihn allein. Nabri hatte angerufen und ihm eröffnet, dass er die 5000 Pfund nicht schicken könne. Dabei waren sie dringend auf das Geld angewiesen. Um dem Schleuser 30 000 Pfund bezahlen zu können, hatten sie Ende August letzten Jahres einen Kredit aufgenommen. Und nun, Mitte Juli, war die zweite Tilgungsrate fällig. Wie sollte er dem Vater die schlechte Nachricht nur beibringen? Die Hiobsbotschaft bedeutete ausserdem, dass er vorerst im Land bleiben müsste, mindestens ein Jahr noch.
    Ein Unglück kommt selten allein, und im Nu ist man hinweggefegt. Hassûna war in Gedanken versunken. Dass ein italienischer Architekt und dessen Frau zu seiner kleinen Gruppe gestossen waren, bemerkte er erst, als Murtada ihm auf die Schulter klopfte. Sie vereinbarten die Ausflugsziele. Als Erstes würde Hassûna sie mit dem Boot zu einem nubischen Dorf in Suhail Gharb bringen. Dort würde er ein Auto organisieren, das sie zu den Tempeln von Kalabschaund Philae fährt. Und am nächsten Tag ginge es zu den pharaonischen Gräbern westlich von

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