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Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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Protestdemonstrationen, die mehrere Tage anhielten, beschloss das georgische Parlament am Freitag, dem 9. November 2007, einstimmig, den Ausnahmezustand im Land auszurufen. Trotzdem erhielten die vier Frauen einen georgischen Reisepass. Sanâa bekam einen auf den Namen Assja Tasachurdia ausgestellt. Sie sollte sich, so die Anweisung, bei der Ausreise am Flughafen stumm stellen. Unter Vorlage der neuen Pässe wurden bei derBotschaft der Vereinigten Arabischen Emirate Visa beantragt. Trotz aller Gemeinsamkeiten herrschte zwischen Sanâa und Sonja ein gespannteres Verhältnis als zwischen Georgien und Russland. Alle vier prägten sich ihren neuen Namen und die Passnummer gut ein und warteten darauf, dass die Reise nach Dubai endlich losginge und sie anfangen könnten, die Schulden für die neue Heimat abzuzahlen.

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    H eute ist mein Geburtstag. Ich bin vierzig geworden.
    Vierzig!
    Bei dieser Zahl würde mir das Trommelfell platzen, dachte ich immer.
    Früh um sieben erwachte ich aus dem Schlaf und hörte mich sagen: »Ich bin jetzt in meinem fünften Lebensjahrzehnt.« Laut und deutlich hallte meine Stimme durch den Raum, prallte gegen die Wand zu meiner Linken und dann gegen die zu meiner Rechten. Ich stand auf und konnte mich zu meiner Überraschung normal bewegen. Ohne zu hinken, zu torkeln oder ins Straucheln zu geraten, ging ich in die Küche und machte mir einen Nescafé mit Milch. Im Bad zog ich mich aus und sah in den Spiegel. Wie schön ich war! Ausserdem hatte ich mich, wie ich erstaunt feststellte, seit dem Vortag nicht im Geringsten verändert. Meine blonden Haare fielen genauso albern auf die Schultern herab, ich war nicht über Nacht ergraut. Strähnig und mit dem Scheitel in der Mitte, erinnerten sie an eine Pferdemähne. Fehlte nur noch, dass ich im Gehen wieherte.
    Krauses Haar lockt das Glück.
    Um meine blauen Augen keine neuen Fältchen, dafür aber immer noch dieser schrecklich matte, nichtssagende Blick. Ich trat näher an den Spiegel. Die Haut war käsig weiss, denn jeder Versuch, sie in unserer gleissenden Sonne zu bräunen, war zum Scheitern verurteilt.
    Weisse Farbe gehört an die Wand, dunkle Haut ist die halbe Schönheit.
    Früher hatte ich mir schwarze Augen über alles gewünscht. Und Haare, so magisch dunkel wie die Nacht. Kraus sollten sie sein, damit mir, wie die bekannte Redensart in Aussicht stellte, Glück zuteilwürde. Aber nein, ich beerbte meine Mutter, weil ein Genom es so wollte, jenes Genom, das man eifrig und angestrengt zu dechiffrieren sucht. Und ist das Geheimnis erst gelüftet, dann brechen in der Menschheitsgeschichte, so wird einem versprochen, neue Zeiten an. Ich hoffe bloss, dass es keine Enttäuschung wird und ich dann mit der kleinen Nase meines Vaters vorliebnehmen muss.
    Der goldene Kelch voll samtweicher Glücksfäden, der einen in den Himmel hebt, war mir noch nie vergönnt. Die Kapriolen in der Manege durfte ich bislang nur von den Zuschauerreihen aus erleben.
    Gestern habe ich beschlossen, Silvester und meinen Geburtstag künftig nicht mehr gross zu feiern. Um sieben Uhr abends traf ich mich mit meiner Tochter. Sie zu sehen bereitete mir so viel Freude, dass ich sie mir tief in meinem Herzen bewahren konnte, um später davon zu zehren. Wir tranken Saft, anschliessend ging sie heim zu ihrem Vater, und ich fiel um zehn Uhr ins Bett. Schon immer hatte ich den Wunsch, Silvester und meinen Geburtstag im Bett zu verbringen und davon zu träumen, mit den Engeln Unmengen von Milchreis zu vertilgen. Stattdessen aber gab ich dem gesellschaftlichen Druck nach und ass Apfelkuchen mit Menschen, die ich kaum kannte. Jetzt sollte alles anders werden. Dank meines Alters habe ich es nun endlichgewagt, mich der Welt entgegenzustellen und der Aufforderung des Anwalts Muhammad Abdalrâsik Afîfi nachzukommen. »Wer schwimmt mit mir gegen den Strom?«, hatte er in den öffentlichen Verkehrsmitteln plakatiert. Im Alter von zehn Jahren sah ich diesen Slogan im Bus Nummer 13, der von Bab al-Lûk nach Samâlik fuhr. Damals wohnten wir nur wenige Meter von einer Haltestelle dieser Buslinie entfernt. In demselben Haus lebe ich auch jetzt noch, doch die Station ist wie so viele vertraute Dinge mittlerweile verschwunden.
    Was es mit diesem Anwalt auf sich hatte, weiss ich bis heute nicht. Hiess er wirklich Muhammad Abdalrâsik Afîfi, oder täuscht mich mein Gedächtnis? Gegen welchen Strom sollten wir seiner Meinung nach schwimmen? Und warum gab er sich so viel Mühe, uns

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