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Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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dann.
    Murtada hat es tatsächlich geschafft, eine Engländerin zu heiraten. Was für ein Luxus! Bei den Herrschaften ist es ja so, dass selbst die Bettler Millionäre sind. Ismaîl Abdalsalâm sagte uns, dass Murtada jetzt automatisch die britische Staatsbürgerschaft bekommt. Er wird also bald Engländer sein. Ach, lieber Gott, mach, dass ich auch bald an die Reihe komme! Hagg Ali hat angekündigt, dass es Ende des Sommers hier ein grosses Fest geben wird.
    Bevor wir aufbrachen, bat ich den Hagg, mir Murtadas Handynummer zu geben. Ich warte die Flitterwochen ab, und dann rufe ich ihn an.
    » H erzlichen Glückwunsch, lieber Murtada, ich gratuliere dir zur Hochzeit. Ich bin es, Jassîn, dein Cousin, ich rufe dich aus dem Dorf an.«
    »Jassîn? Ich glaube es nicht! Gib mir deine Nummer, ich rufe dich gleich zurück.«
    »Ich schicke sie dir per SMS. Aber sag, wie geht es dir?«
    »Hervorragend, ich habe grosses Glück. Diesmal hat es mit der Heirat geklappt, eine Beerdigung ist mir erspartgeblieben. Ich habe eine wunderbare Frau, die mich nimmt, wie ich bin.«
    »Ein guter Mann bekommt eben eine gute Frau, mein Lieber!«
    »Schick mir unbedingt deine Nummer, ich rufe dich an. Ich weiss ja, dass es teuer für dich ist.«
    »Ach, das macht nichts.«
    D en Anruf erhielt Murtada, als er mit Deborah in ihrem alten Austin zu einer Veranstaltung fuhr. Sechs Professoren verschiedener Nationalitäten sollten jeweils über ihr Land sprechen. Das konkrete Thema war jedem selbst überlassen. Deborah fuhr zügig durch die verstopften Londoner Strassen, um die zehn Minuten Verspätung aufzuholen. »Ich hätte lieber ein Taxi rufen sollen, statt mich auf dich und dein Auto zu verlassen«, hatte Murtada sie angeherrscht. Deborah hatte ein schlechtes Gewissen. Weil sie vier Kilo zugenommen und ewig gebraucht hatte, um ein Kleidungsstück zu finden, in das sie noch hineinpasste, würde er zu spät kommen. Nachdem sie sich in den Wagen gesetzt hatten, hatte Murtada beharrlich geschwiegen. Nach dem Telefonat aber war er zu Deborahs Überraschung wie ausgewechselt. Seine Miene klärte sich auf, er wurde plötzlich redselig und erzählte von Jassîn und dem Dorf. Kaum hatte sich seine Laune wieder gebessert, floss der Verkehr, und sie trafen schliesslich noch rechtzeitig ein.
    Es war ein kleiner Saal mit einem überschaubaren Publikum. Obwohl er fast täglich Vorlesungen hielt, war Murtada sichtlich nervös. Deborah verstand den Grund seiner Aufregung nicht. Dennoch gab sie ihm während derBegrüssungsrede zur Aufmunterung einen flüchtigen Kuss. Ikram war als Erster an der Reihe, er sprach über die indische Wirtschaft. Als Nächster hielt Murtada einen Vortrag über den Wandel in der ägyptischen Mittelschicht von der Revolution 1952 bis in die Gegenwart.
    In seinem Referat attackierte Murtada die ägyptische Regierung aufs heftigste. Solche Kritik hätte er in Kairo gewiss nicht zu äussern gewagt. Nicht nur war er kein Mann der Politik, er verspürte auch eine chronische Angst vor der Staatsmacht und ihrem langen Arm. Wie kam es also, dass er plötzlich so unerschrocken war? Hatte er dank der Ehe mit Deborah mehr Vertrauen in die Zukunft gewonnen? Hatten die Prügel, die er bekommen hatte, Spuren in seinem Kopf hinterlassen? Oder gab es einen anderen Grund? Ihm war nämlich aufgefallen, dass die Staatsmacht seit geraumer Zeit die Hunde einfach bellen liess, zumal das Bellen keine Wirkung zeigte, ja nicht einmal vernommen wurde, weil das Volk vor Hunger schwerhörig geworden war.
    Wieder zu Hause, erfasste Murtada ein für seine Verhältnisse ungewohnt stürmisches Verlangen. Wie ein Zwanzigjähriger liebte er seine Frau mehrere Stunden lang. Es war eine seltene körperliche Aufwallung, über die er noch viele Jahre sprach. Deborah, die Murtada von Herzen liebte, war so glücklich und zufrieden, dass sie noch im Schlaf lächelte. Mehrere Tage noch schwitzte sie seinen mit Nilschlamm getränkten Geruch aus allen Poren aus.
    W ir sassen zusammen auf dem braunen Sofa, das ich eine Woche zuvor gekauft hatte. Murtada hatte wieder einmal seine eigenwillige Haltung eingenommen. Die Beine gekreuzt, den Oberkörperkerzengerade aufgerichtet, thronte er wie ein indischer Guru. Anfangs hatte ich gedacht, er mache Yoga. Doch dann erfuhr ich, dass dies seine bevorzugte Sitzposition war. Wenn ich ihn so sehe, will ich am liebsten gleich den Kopf in seinen Schoss legen, sein Gesicht von unten anschauen und in das Grübchen an seinem Kinn eintauchen.

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