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Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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feiert schon den Tod seiner Liebsten? Doch nur ein Verrückter!
    Murtada zog sich in sein Zimmer zurück, schlüpfte in seinen gestreiften Baumwollpyjama und kam nicht mehr heraus. Er holte ein Foto von Suâd hervor, umarmte es und benetzte es mit Tränen. Ihm war unbegreiflich, wie das Fest des Fastenbrechens kommen konnte, wo sie doch fortgegangen war. Stunden sass er so da und unterhielt sich im Stillen mit ihr.
    F arîd und ein paar andere arabische Studenten platzten ins Fest hinein. Deborah beobachtete das Geschehen verwundert, sie wusste nicht, dass Murtada auch sie eingeladen hatte. Er wiederum sah Deborah an, als wollte er sagen: Danke, dass du sie eingeladen hast. Wie feinfühlig diese Frau doch war.
    »Wir wollten Ihnen unbedingt gratulieren.«
    »Herzlichen Glückwunsch, Doktor Murtada.«
    »Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr ich mich über Ihren Besuch freue. Ich habe mich danach gesehnt, wenigstens ein arabisches Wort zu hören.«
    »Aber Sie haben sich nun einmal für eine Engländerin entschieden.«
    »Das war nicht meine Entscheidung, Farîd, das Schicksal hat es so bestimmt. Die alten, abgedroschenen Redewendungen bergen eben doch eine tiefere Wahrheit. Der Mensch ist in seinen Entscheidungen nicht so frei, wie ich immer dachte, vielmehr ist ihm sein Weg vorgezeichnet. Mein Leben lang habe ich mich gefragt, was der Vers ›Doch werdet ihr nicht wollen, wenn nicht Gott will‹ 24 bedeutet. Und jetzt habe ich ihn endlich verstanden.«
    Deborahs Vater kam zu ihnen herüber und lauschte interessiert. »Ist das Arabisch?«, fragte er.
    Farîd legte ihm die Hand liebevoll auf die Schulter, was Mister Johnson gar nicht gefiel. »Ja, und wenn Sie möchten, gebe ich Ihnen gern privaten Arabischunterricht zu einem günstigen Preis, Hausbesuch inbegriffen.«
    »Wozu sollte ich das brauchen? Ich spreche doch Englisch!«
    Farîd lachte. »Wie witzig! Sie haben vollkommen recht, mein Herr.«
    Die Studenten mischten sich unter Deborahs Verwandte und Freunde und taten, als wären sie des Englischen nicht ganz mächtig. Einer unterhielt sich mit Debbies Tante sogar auf Arabisch. Muadh ging hinaus und kam kurz darauf mit einer jemenitischen Ud wieder. Farîd stieg auf einen Stuhl mitten im Saal und machte eine Ankündigung: »Und jetztunser Geschenk an das Brautpaar: ein arabisches Volkslied. Es singt einer von Doktor Murtadas Studenten.«
    Muadh schlug die Ud an, sang und erntete die Bewunderung der Anwesenden.
    D eborah war klug und rücksichtsvoll genug, das Missverständnis nicht aufzuklären, sondern Murtada in dem Glauben zu lassen, sie habe die arabischen Studenten eingeladen, um ihm eine Freude zu machen.
    Am nächsten Tag beim Frühstück schien die Sonne aussergewöhnlich hell. Sie schickte ihre goldenen Strahlen auf den runden Tisch mit der weissen Decke und dem Silbergeschirr und auf Murtadas gestreiften Baumwollpyjama, denselben, den er getragen hatte, als er sich im Dorf vier Tage einschloss und mit Suâd sprach. Deborah sass im Negligé da, durch das ihr Körper und besonders ihre Brüste schimmerten. Als sie dieses Kleidungsstück bei Peter Jones im Schaufenster gesehen hatte, war sie entsetzt, doch Helen klärte sie auf. Ein durchsichtiges Nachthemd gehöre zur Grundausstattung der Hochzeitsnacht und bilde die Basis einer gelungenen Ehe. Diese Tradition zu bewahren sei eine heilige Pflicht, insbesondere dann, wenn es sich bei dem Bräutigam um einen Araber handele.
    Das Frühstück war sehr englisch, bacon and eggs, Butter und Marmelade. Das Paar hatte entschieden, dass Murtada sein Domizil aufgibt und sie sich eine neue Wohnung suchen. Deborahs Wahl fiel auf ein kleines, aber wunderschönes Appartement in einer Seitenstrasse der King’s Road in Chelsea, unweit des Kaufhauses, in dem sie das Negligé für die Hochzeitsnacht erstanden hatte.
    G estern haben wir Hagg Ali anlässlich der Hochzeit seines Sohnes besucht. Sie haben drüben gefeiert und wir hier in Itâi. Alle freuen sich und können es kaum glauben. Ich bin überglücklich. »Jassîn«, hat er immer so liebevoll zu mir gesagt, »du bist der kleine Bruder, den Gott mir nicht schenken wollte.«
    Endlich hat Murtada geheiratet. Wirklich Schreckliches hat er durchgemacht. Aber diese Zeiten sind nun Gott sei Dank vorbei. Das Blatt hat sich gewendet, jetzt soll ihm Glück beschieden sein. Das Glück sucht sich seine Leute. Es geht umher, schaut sich um und pickt sich schliesslich einen heraus. Du gehörst mir, bestimmt es

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