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Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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sind Sie ja doch wütend geworden, Herr Professor. Genau das habe ich befürchtet. Was ich gesagt habe, ist doch im Grunde völlig belanglos.«
    »Wenn es so belanglos ist, warum erwähnen Sie es dann überhaupt? Warum verschwenden Sie Ihre und meine Zeit damit? Das ist doch Psychoterror.«
    »Aber Herr Professor, Terror? Dafür ist Bin Lâdin zuständig. Zur Aufheiterung erzähle ich Ihnen jetzt mal einen Witz. Der geht so: Einem Mann wird zugetragen, dass seine Frau es mit dem Elektriker von nebenan treibt. Das ist kein Elektriker, erwidert er, der hat von Strom nicht den leisesten Schimmer.«
    Niedergeschmettert schleppte sich Murtada heim, er fühlte sich zutiefst gedemütigt, die Kehle war ihm zugeschnürt. Er ging ins Schlafzimmer, zog den Baumwollpyjama an, schaute in den Spiegel und glaubte, einem hundertjährigen Greis ins Gesicht zu sehen. In der Verzweiflung rief er seinen Vater an. »Was hat das Leben überhaupt noch für einen Sinn«, klagte er, »wenn ein Lehrer kein Vertrauen mehr in seine Studenten haben kann?«
    Ihn schockierte die Vorstellung, dass seine Vorlesung aufgezeichnet, zusammengeschnitten und dem Sicherheitsoffizier zugespielt worden war. Hätte er sich verteidigen sollen? Hätte er sagen sollen, dass er sehr wohl fünfmal am Tag bete, und zwar seit Urzeiten? Zeiten, als der Oberstleutnant noch gar nicht auf der Welt war? Sollte er sich künftig selbst beim Freitagsgebet filmen und die Aufnahme an den Innenminister schicken?
    Salâch Abdalnabi hatte sich grösste Mühe gegeben, irgendeine Information auszugraben, mit der er Doktor Murtada hätte ruinieren können, aber alles entpuppte sich als heisse Luft. Also hatte er seine Finanzlage überprüft, dabei jedoch entdeckt, dass Doktor Murtada an keinen universitätsinternen Forschungsprojekten beteiligt war und folglich nie von irgendeiner Seite Gelder bezogen hatte. Verbissen hatte Salâch Abdalnabi weiterermittelt, bis er irgendwannan seinen Fähigkeiten zu zweifeln begann. Das Gefühl, versagt zu haben, spornte ihn aber zusätzlich an, irgendeine Unstimmigkeit ausfindig zu machen. Nach dem Motto »ein genügsamer Mensch gibt sich mit wenig zufrieden« recherchierte er, ob und wie Doktor Murtada seine wissenschaftlichen Publikationen an die Studenten verkaufte, in der Hoffnung, wenigstens da gewisse Verstösse aufzudecken. Diese Idee war ihm bei einem Gespräch mit Kollegen gekommen. In geselliger Runde berichteten sie von einem Professor, der durch einen Kniff beträchtliche Nebeneinkünfte erwirtschaftete. Sein Buch, in einem staatlichen Verlag erschienen, kostete im Buchhandel vier Pfund. Er aber verkaufte es an der Universität für fünfundzwanzig Pfund und hatte zudem einen Studenten beauftragt, alle Kommilitonen namentlich aufzulisten, die das Werk erwarben. Und wehe dem, der es wagte, sich keines anzuschaffen! Dass Professoren ihre Publikationen zu Wucherpreisen verkauften, war an sich nichts Ungewöhnliches, allerdings bekam man diese Werke sonst nirgends. Das Neue und Dreiste an diesem Fall bestand darin, dass das Buch regulär lieferbar war. Salâch Abdalnabi aber musste leider feststellen, dass sich Doktor Murtada auch in dieser Hinsicht vollkommen korrekt verhielt. Er verkaufte seine Bücher zum üblichen Ladenpreis.
    Kochend vor Wut, ging der Oberstleutnant zum letzten Versuch über. Er verabredete sich mit seinem Freund Schâkir, einem Offizier bei der Sittenpolizei.
    »Was hältst du von einem Professor, der mit über fünfzig immer noch ledig ist, Schâkir?«
    »Entweder ist das eine Schwuchtel, oder er treibt’s mit einer Nutte. Was stört dich an ihm?«
    »Ein gottloser Dreckskerl ist das! Ich habe ihn vor zwei Tagen Bier trinkend in der Stadt gesehen.«
    »Ach, du Schreck! Da hat er einiges mit mir gemein, ich trinke auch Bier.«
    »Na ja, du bist ja auch durch und durch verkommen. Der Unterschied ist nur, dass er einen Erziehungsauftrag hat.«
    »Meinst du, er stiftet die Studenten zur Ketzerei an?«
    »Komischer Kauz, den soll einer mal verstehen. Er kooperiert nicht mit uns. Ausserdem mag ihn keiner. Für unsere Männer ist er ein rotes Tuch. Und mir persönlich ist er nicht ganz geheuer. Also, langer Rede kurzer Sinn: Wenn wir ihn rauskanten, schert es keinen.«
    »Und was willst du, dass ich tun soll?«
    »Du bist von der Sitte. Finde heraus, was er für einer ist. Such nach einer Leiche in seinem Keller. Wie gesagt, er ist mir nicht geheuer.«
    Beide versanken in Schweigen. Währenddessen drehte sich Schâkir

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