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Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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konnte das passieren?«
    »Es ist eben passiert. Komm her, beeil dich!«
    A ls er auflegte, war Murtada bereits klar, wie das passieren konnte. Suâd hatte am Institut, an dem sie arbeitete, schwere Vergehen aufgedeckt, die auf eine durch und durch korrupte Verwaltung zurückzuführen waren. Etliche Studenten waren unrechtmässig zu einem Studienplatz gekommen. Sie konnten kein Reifezeugnis vorweisen und hatten sich auch nie ordentlich im Immatrikulationsbüro eingeschrieben. Einige von ihnen, mittlerweile im vierten Studienjahr, standen kurz vor den Abschlussprüfungen.
    »Ja, was willst du denn machen, Suâd?«
    »Was für eine Frage, Murtada! Was würdest du an meiner Stelle tun?«
    »So, wie die Gewaltverbrechen zugenommen haben, greift auch die Korruption immer mehr um sich, sie ist inzwischen Teil der Gesellschaft. Leute, die in der Lage sind, was weiss ich wen zu schmieren, um einen Studienplatz zu ergattern, werden sich nicht in die Suppe spucken lassen. In ein paar Monaten machen die ihren Abschluss, und dann bist du sie eh los.«
    »Nicht zu fassen! Soll ich etwa vor diesen Halbstarken kuschen? Soll ich diesen Rechtsbruch ignorieren? Darüber hinwegsehen? Wie soll ich da nachts noch ruhig schlafen können? Nein, ich werde das tun, was mein Gewissen von mir verlangt.«
    »Überstürz es nicht, lass uns nachdenken. Überlegen wir in Ruhe, welche Handlungsmöglichkeiten es gibt und welche Konsequenzen daraus erwachsen können. Gestern kam ein Student zu mir, er schreibt eine Arbeit, die eine Feldstudie im Ministerium für islamische Stiftungen erfordert. Dafür braucht er eine amtliche Genehmigung, auf die er aber bislang vergeblich gewartet hat. Da bat er mich um Rat. Was ich an seiner Stelle tun würde, wollte er von mir wissen.«
    »Das ist nicht zu vergleichen. Die anderen haben geschmiert, gefälscht und betrogen, um sich Studienplätze und Zertifikate zu erschleichen.«
    »Es ist der Staat, der Korruption und Betrug duldet und sie sogar noch fördert. Gezielt sucht er Leute, die bestechlich sind, und diese werden gepäppelt und machen Karriere. Gleichzeitig hindert der Staat Studenten am wissenschaftlichen Arbeiten, mit der Ausrede, sie hätten keineGenehmigung der Staatssicherheit. Die Zeugnisse, die du so in Ehren hältst, was sind die denn heutzutage noch wert? Zu einer Stelle verhelfen sie eh keinem. Wenn sie wenigstens fürs Heiraten von Vorteil wären, wäre das immerhin etwas. Ich bin deiner Meinung, Suâd, die Sache ist kriminell. Aber lass uns überlegen, Nachdenken hat noch nie geschadet.«
    »Ich kann dazu nicht schweigen, Murtada. Ich platze, wenn ich nicht den Mund aufmache!«
    A ls Murtada im Krankenhaus ankam, war sie bereits tot. Er hatte sie nicht mehr sehen, keinen Abschied nehmen können. Hatte keine Gelegenheit gehabt, zu fragen, ob sie am Morgen die Zeitung gelesen habe. Ihr zu sagen, dass Clinton recht habe und sie beide im Irrtum seien. Dass das neue Jahrhundert in der Tat eine natürliche Fortsetzung des glücklichen amerikanischen Jahrhunderts sei, dass er und sie aber, von der Liebe geblendet, die Wahrheit nicht erkannt hätten.
    Murtada wusste nicht, wem er sein Beileid hätte aussprechen sollen, ihrem Vater, der nur noch ein Häufchen Elend war, oder der bedauernswerten Welt.
    Aus Angst vor Einsamkeit war er ausserstande, nach Kairo zurückzukehren, und beschloss, in sein Dorf zu fahren. Aber auch dort übermannte ihn dieses Gefühl. Sein Vater war am 2. Januar zur kleinen Pilgerfahrt nach Mekka aufgebrochen, nachdem er aus Rücksicht auf Murtadas Verlobung die lange geplante Reise verschoben hatte.
    Murtada hätte nie gedacht, dass er als gestandener Mann seinen Vater so sehr vermissen könnte und seinen Trost so dringend benötigen würde. Wie ein Sünder auf seinen Erlöserwartete er auf die Rückkehr seines Vaters nach dem Ramadanfest. Die Angehörigen und Freunde kümmerten sich rührend um ihn, doch er steckte in einem finsteren Tunnel und erkannte vor lauter Dunkelheit niemanden.
    Der Einzige, der es schaffte, Verbindung zu ihm aufzunehmen, war Jassîn, sein Cousin, der ihm trotz grossen Altersunterschieds sehr nahestand. Ihm gelang es, zu Murtada vorzudringen und im Tunnel eine Kerze anzuzünden.
    Jassîn wich nicht von seiner Seite. Am Fest versuchte er, Murtada zu einem Stück Gebäck zu überreden. Dieser aber lehnte entschieden ab. Süsses zu essen kam in seinen Augen einem Hochverrat an Suâd gleich, denn es bedeutete, das Fest feierlich zu begehen. Wer aber

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