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Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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Wissenschaft investiert. Stellen Sie sich vor, wir sind das absolute Schlusslicht! Ägypten gibt fürdie Wissenschaft kaum mehr als 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus, die Entwicklungsländer dagegen ein Prozent, also fünfmal so viel. Die Industriestaaten wenden sogar mindestens zwei Prozent auf. Und was machen Sie und Ihresgleichen indessen? Ihr verbietet hier eine Vorlesung, da eine Konferenz, streicht dort Kandidaten von der Wahlliste. Ihr engagiert Schläger, um Studenten zu verprügeln, die euch nicht in den Kram passen. Gefährlich ist, dass ihr rund um die Uhr hier an der Fakultät hockt und nichts Vernünftiges zu tun habt. In der Zeitung al-Wasît habe ich folgende Anzeige gelesen: ›Uniprofessor verfasst Masterarbeiten und Dissertationen für Akademiker jeder Universität zum Spottpreis, Erläuterungen für die Verteidigung inbegriffen. Erreichbar unter der Nummer …‹ Und das in einem offiziellen Blatt! Aber die Universitätsverwaltung samt Sicherheitspersonal schwebt ja in anderen Sphären. Selbstverständlich ist das für euch nicht von Belang, sonst könnte sich ein Betrüger ja nicht erdreisten, so eine Anzeige mit Telefonnummer in die Zeitung zu setzen. Und das am helllichten Tag! Bleibt ihr nur untätig auf euren vier Buchstaben sitzen. Oder wissen Sie was? Nein, nicht sitzen bleiben, sondern raus hier!«
    W as ein paar Tage später geschah, hatte Doktor Murtada versucht zu vergessen. Wie immer erreichte er die Universität um 10 Uhr 30. Nachdem er sein Auto vor der Fakultät abgestellt hatte, trat ein Soldat an ihn heran und forderte ihn auf, woanders zu parken, denn dieser Platz sei für den Pascha reserviert, also für den Offizier. Doktor Murtada weigerte sich, woraufhin ihm der Soldat den Weg versperrteund ihn zurück zum Wagen stiess, um ihn zum Einsteigen zu zwingen. Die Auseinandersetzung endete damit, dass ein weiterer Soldat hinzukam und Doktor Murtada am helllichten Tag vor den Augen seiner Studenten zusammengeschlagen wurde.

Jassîn al-Barûdi
    E ine heitere Sommernacht, durchweht von einer betörenden Brise, die Hagg Ali al-Barûdis Herz beflügelte. Auf diesen Augenblick hatte er Jahrzehnte gewartet. Überschwänglich wie ein junger Mann, führte er einen Stocktanz zu Ehren seines Erstgeborenen auf, der Seite an Seite mit der Braut auf dem Hochzeitssitz thronte. Murtada trug ein britisches Jackett und eine italienische Krawatte, Deborah eine bäuerliche, paillettenbesetzte Gallabija.
    Diesmal war es Murtada, der so unbändig lachte, dass der Boden bebte, während er eine nicht enden wollende Reihe von Angehörigen umarmte. Deborah verfolgte das Geschehen mit grossen Augen und fragte sich, wie ein Mensch derart viele Cousins haben konnte.
    Hagg Ali al-Barûdi, der Bürgermeister des Dorfes war, hatte darauf bestanden, das Fest so fürstlich zu begehen, als feierten sie Murtadas und Deborahs Hochzeitsnacht. Der Park füllte sich mit Menschen. Riesige traditionelle Zelte waren aufgestellt worden, in die unzählige Speiseplatten getragen wurden. Der Bürgermeister hatte das ganze Dorf und alle Freunde und Verwandten aus Damanhûr, Alexandria und Kairo eingeladen. Er hatte Tänzerinnen bestellt, und als Höhepunkt des Festes sollte zu später Stunde Husni Dijâb, der bekannteste Sänger Damanhûrs, auftreten. Musik ertönte, und schon stiegen farbenfroh gekleidete Tänzerinnen die Treppe herunter und wiegten sich in den Hüften, so dass die Metallplättchen an ihren Kleidern im Rhythmus des Trommelschlags rasselten. Riesige Platten, beladen mit Reis und Lammfleisch, mit gebratener Enteund Gans, Tontöpfe mit grünem Weizen, Gemüse und gewürfeltem Rindfleisch und viele andere Köstlichkeiten standen bereit.
    Richard, mit dem Blick und den geschärften Sinnen eines bildenden Künstlers, sog alles auf wie ein Schwamm. Er filmte das Geschehen und bereute, nur seine alte DV-Cam und nicht die neue in HD mitgebracht zu haben. Geradezu überwältigt war er von dem bunten Treiben. Allerdings waren er und Deborah bei ihrer Ankunft auch schockiert gewesen über die Armut, die sie sahen. Er konnte nicht begreifen, dass die Schere zwischen masslosem Elend auf der einen Seite und verschwenderisch gedeckten Tafeln auf der anderen Seite so gross war. Dahinter müsse ein Geheimnis stecken, sagte er sich.
    Zu Tode erschrocken, warf sich Richard auf den Boden, als plötzlich mit Gewehren, die noch aus dem Zweiten Weltkrieg stammten, Freudenschüsse abgegeben wurden. Jassîn musste bei dem

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