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Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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seinem Vater zuliebe.
    D ie beiden Offiziere trafen sich erneut. Schâkir teilte Salâch das Ergebnis seiner Nachforschungen mit. Doktor Murtada sei weder sexuell abnormal, noch gehe er zu einer Prostituierten. Somit könne man ihm nur eines anhängen: Masturbation. Leider sei die aber nicht verboten. Zudem sei es schwierig, jemanden dabei in flagranti zu erwischen.
    Am nächsten Tag ging Oberstleutnant Salâch zu Doktor Murtada ins Büro, ruhig und zielsicher wie eine Kobra, die sich ihrer tödlichen Wirkung bewusst ist. »Ich weiss nicht, was ich sagen soll, Herr Professor. Die Studenten können ganz schön unangenehm werden. Die Sache ist jetzt nicht nur beim Dekan, sondern beim Rektor der Universität gelandet. Und da Sie mein guter Freund sind, empfinde ich es als meine Pflicht, Sie zu warnen.«
    »Was ist denn passiert?«
    »In Ihrer gestrigen Philosophievorlesung haben Sie besorgniserregende Dinge gesagt. Das Einzige, was ich jetzt aus dem Bericht konkret in Erinnerung habe, ist Ihre Aussage ›Glück ist die säkulare Form des Schicksals‹.«
    »Dieser Satz stammt von Marcel Achard, dem berühmten französischen Dramatiker, der einst Sitz 21 in der Académie française besetzte. Ich habe ihn lediglich zitiert.«
    »Aber das sind gefährliche Worte, Herr Professor. Sie kennen doch sicher diesen heiligen Hadith: Als der Erzengel Gabriel, Friede sei mit ihm, zu unserem Propheten Muhammad, gepriesen sei er, kam und ihn nach den sechs Grundpfeilern des Glaubens fragte, was antwortete er da? Na, was sind die Grundpfeiler des Glaubens, Herr Professor? Ich werde es Ihnen sagen: dass man an Gott glaubt, an Seine Engel, Seine Bücher, Seine Propheten, an die Auferstehung und an das Schicksal, im Guten wie im Schlechten. Der Glaube an das Schicksal ist also ein Grundpfeiler des Glaubens. Doch Sie, Herr Professor, haben in Ihrer Vorlesung das Schicksal herabgewürdigt. Sie nennen es in einem Atemzug mit Glück und Säkularismus.«
    »Ich verstehe nicht ganz, in welcher Eigenschaft Sie mich hier aufsuchen. Sie sind für die Sicherheit zuständig. Was mischen Sie sich also in die Lehrinhalte ein? Was verstehen Sie schon von Philosophie, dass Sie mich, einen Professor auf diesem Gebiet, belehren wollen? Was Sie hier von sich geben und was in dem Bericht steht, sind die Äusserungen von Ignoranten. Menschen, die nichts begriffen haben, sondern nur auswendig Gelerntes nachplappern. Die Grundpfeiler des Glaubens sind allgemein bekannt, aber was haben die mit meiner Vorlesung zu tun? So, und jetzt raus hier!«
    »Ich komme als Freund, keinem anderen Professor würde ich diesen Dienst erweisen. Im Grunde könnte es mir ja egal sein, schliesslich ist es Sache des Dekans, sich darum zu kümmern. Aber ich mag und schätze Sie, ich wollte Sie nur über den Bericht ins Bild setzen, der dem Dekan vorliegt.«
    »Wissen Sie eigentlich, was Sie und Ihresgleichen anrichten, was Sie den Studenten und ihrer Psyche antun? WissenSie, was es heisst, Studenten anzustiften, Berichte über einen Kommilitonen oder einen Professor zu verfassen oder eine Vorlesung für Sie aufzuzeichnen? Das ist das Allerletzte, ihr verkorkst die Studenten von Grund auf! Und anschliessend stellt ihr sie als Assistenten ein. Die offiziellen Stellenausschreibungen haltet ihr natürlich zurück und besetzt die Posten dann nach Belieben. Inzwischen ist es so weit, dass man nur noch durch Beziehungen zu einem Job kommt. Und ist der Student seelisch erst richtig verkorkst, dann spielt er die dreckige Rolle immer weiter. Dafür schickt ihr ihn ja auch auf eure Kosten in exquisite Einrichtungen im Ausland. Dann kommt er an die Uni zurück, aber nicht in den wissenschaftlichen Betrieb, sondern in den Dienst der Staatssicherheit. Wer seinen Job zu eurer Zufriedenheit erledigt, bekommt einen Posten in der Regierung, als Dekan oder als Universitätsrektor. Und am Ende ernennt ihr ihn zum Minister. Die sind doch heutzutage alle entweder Geschäftsleute oder lebende Tote. Achmad Matar 26 hat diesen Zustand in zwei Versen auf den Punkt gebracht: ›Menschen bieten keine Sicherheit, Menschen haben keine Sicherheit. / Entweder sind sie Spitzel, oder sie werden ins Gefängnis gesteckt.‹«
    »Das sind gefährliche Worte, die Sie da sagen, Herr Professor. Solche Reden gehören sich nicht für jemanden mit Ihrem Bildungsstand und in Ihrer Position.«
    »Von wegen gefährlich! Wissen Sie, was wirklich gefährlich ist? Dass Ägypten das Land ist, das weltweit am wenigsten in die

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