Arche Noah | Roman aus Ägypten
Staatsanwaltschaft vorgeführt. Quälendes Warten, unerträgliche Hitze. In Strömen lief ihnen der Schweiss den Rücken hinab zum Gesäss, wo er einen fauligen Gestank erzeugte. Er vermischte sich mit dem Meersalz, das ihre Poren ausdünsteten, so dass sie sich bald wünschten, sie wären ertrunken. Immer wieder die gleichen Fragen, auf die sie die immer gleichen Antworten gaben. Zurück in ihrem finsteren Kerker, fanden sie endlich ein bisschen Ruhe.
T ags darauf, am Montag also, begannen die libyschen Behörden Druck auf uns auszuüben, damit wir den Namen des Offiziers und die seiner Helfer unerwähnt lassen. Sie boten uns dafür sogar 15 000 Dollar an. Wir lehnten ab und bestanden darauf, dass der Offizier für die vielen Opfer zur Verantwortung gezogen wird. Schliesslich hatte er sechsundachtzig Mann auf einen Kahn pferchen lassen, der höchstens dreissig Personen fasste. Mir hätten siefreilich statt der 15 000 Dollar lieber Hemd und Schuhe spendieren sollen, ich hatte nämlich jede Menge Blasen an den Füssen.
Jedenfalls wurden wir dann vor Gericht gestellt, doch der Richter vertagte die Verhandlung sogleich um eine Woche. Am festgelegten Termin wiederholte sich das Ganze, und so ging es Woche für Woche weiter, bis eineinhalb Monate ins Land gezogen waren. Am Ende wurden wir zu vier Monaten Haft und einer Geldstrafe von fünfzig Pfund verurteilt. Hauptmann Gamâl erhielt ebenfalls vier Monate Haft und wurde ausserdem aus dem Dienst entlassen. Zur Verhandlung waren Vertreter der ägyptischen Botschaft erschienen, die sich nach unserem Befinden erkundigten und unsere Adressen in Ägypten notierten, um die Familien zu benachrichtigen.
Ein Tag folgte dem anderen. Die Minuten und Stunden waren das Einzige, das wir verschlangen, denn das Essen war ungeniessbar. Wir magerten zu Schreckgespenstern ab. Ich sehnte mich nach Aischa und ihren Kochkünsten. Irgendwann hatte das Warten auch uns satt, und man brachte uns nach Tripolis zum Flughafen.
Kaum waren wir aus dem Wagen gestiegen, empfingen uns eine knackige junge Italienerin und eine Tunte und machten Fotos von uns. Grossartig, dachten wir, jetzt sind wir berühmt.
Berühmt waren wir allerdings nur bei den Italienern. Die Hurensöhne in Ägypten bereiteten uns einen ganz anderen Empfang: Sie verhörten uns noch auf dem Flughafen. Danach ging es zur Mugamma am Tachrîrplatz für eine weitere Vernehmung. Von dort wurden wir auf eine Polizeiwache in Chalîfa gebracht. Vier Tage Prügel in der Zelle folgten. Anschliessend lieferte man uns im Gouvernement Buhaira bei der Staatssicherheit ab. Wir wurden übel zugerichtet und dann entlassen.
B ei ihrer Ankunft war das Dorf in Trauer, die Strassen still, die Stimmung trist. Mit gesenktem Kopf schleppten sich die Menschen dahin. Unterdessen hielt Jasmin hinter dem Vorhang Ausschau nach ihrem Liebsten.
Was war ich froh! Das ist deine Stunde, Mädchen, sagte ich mir, als ich ihn so niedergeschlagen ankommen sah. Lass dir diese Gelegenheit nicht durch die Lappen gehen! Gott will es so. Meine Tochter hat ein Recht darauf, bei ihrem Onkel aufzuwachsen. Wenn ihr jemand ein Vater sein soll, dann er. Obwohl er sich in einem jämmerlichen Zustand befand und der Bart sein Gesicht völlig zugewuchert hatte, sah er erstaunlich gut aus. Kaum hatte ich ihn gesehen, fing mein Herz wie verrückt an zu klopfen. Herr im Himmel, hat es gepocht! Er muss es gehört haben, denn zwei Tage später stand er vor meiner Tür und wollte mich. Ich konnte es kaum glauben. Bestimmt hat ihn das Meer zur Vernunft gebracht und ihm klargemacht, wie sehr ich ihn liebe, dachte ich.
Ich empfing ihn mit offenen Armen, stellte aber schnell fest, dass der arme Kerl nicht nur den Kopf hängen liess, sondern alles andere auch. Womöglich hat es mit Aischa nicht geklappt, und deshalb versucht er sein Glück jetzt bei mir. Na ja, das passiert dem stärksten Löwen, tröstete ich mich.
Während wir uns in den Armen lagen, schaute ich in meinen Spiegel und schwor: Wenn ich es schaffe, Jassîn wiederherzustellen, dann werde ich ihn heiraten. Ich drückte ihn fest an mich, doch er sprang unvermittelt auf und rannte wie von Sinnen hinaus.
Ich liess mich nicht entmutigen und bemühte mich weiterhin um ihn. Vergeblich. Wochenlang lief er wie verloren durchs Dorf. Ich klaubte mein ganzes Geld zusammen und sagte zum Hagg, dass ich mir gelobt hätte, die Stätte der heiligen Sainab zu besuchen, und meinen Bruder Chalîfa mitnehmen würde. Er war
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