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Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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Meine Freundin Nada steht auf Logan Huntzberger aus der Serie Gilmore Girls, den Kerl, in den sich Rory Gilmoreverliebt hatte. Nada findet, dass er der geilste Typ überhaupt ist. »Blonde Haare, schwarze Augen, einfach mega!«, hat sie gestern geschwärmt. »Taimûr kann da nicht mithalten. Logan ist halt everything you could ever want in a guy. « – »Ich fahr auch total auf die Serie ab«, sagte ich, »trotzdem finde ich Taimûr hunderttausendmal schöner.« Daraufhin haben wir uns in die Haare gekriegt. »Du bist ja völlig blind«, sagte sie. »Und du bist blöd«, konterte ich. Und auf einmal mussten wir laut loslachen. Aber als sie mich fragte, ob ich zum Islam übertreten würde, um Taimûr zu heiraten, kippte die Stimmung. Nada erzählte mir, dass ihre und seine Mutter in dieselbe Religionsstunde gingen. »Wenn sie wüsste, dass er mit einer Christin zusammen ist, würde sie ihn umbringen.«
    Ich weiss echt nicht, was ich machen soll. Muslimin werden kann ich nicht, so viel steht fest. Und einen Christen herbeizaubern, den ich liebe … wie soll das gehen? Liebe funktioniert doch nicht auf Knopfdruck. In meiner Klasse und im Klub sind die meisten Jungen Muslime. Und die, die in die Sonntagsschule gehen und auf die Pfadfinderausflüge mitkommen, sind blöd. Vielleicht sind sie auch nicht blöd, egal. Ich liebe Taimûr und sonst niemanden, was für ein Schlamassel! Ich weiss nicht, was ich tun soll. Aber Liebe ist mächtiger als jeder Schlamassel und sowieso das Wichtigste auf der Welt.
    D ie Liebe war Sylvia wichtiger als der gesellschaftliche Druck und der zu erwartende Tobsuchtsanfall ihrer Eltern. Also überredete sie Michael, bei seinem Klassenkameraden Hussain im Auto zum Chemieunterricht im Nachhilfezentrum mitzufahren. Auf diese Weise hatte sie den Wagen samt Chauffeur zu ihrer Verfügung, denn sie wollte sichTaimûrs Squashturnier anschauen, immerhin spielte er gegen einen ehemaligen Juniorenweltmeister. Ausserdem hatte er ihr deutlich zu verstehen gegeben, wie wichtig ihm ihre Anwesenheit war, was angesichts seiner zurückhaltenden Art Seltenheitswert hatte. Sylvia ging in ihr Zimmer und schloss sich ein. Nachdem sie sich wiederholt vergewissert hatte, dass die Tür auch wirklich zu war, riss sie den Kleiderschrank auf und zog den scharlachroten Trainingsanzug heraus, den sie sechs Monate zuvor in Montreal gekauft hatte. Die Worte der indischen Verkäuferin klangen ihr noch im Ohr, als diese ihr die Tüte reichte: »Mit diesem Trainingsanzug kannst du auf ein Hochzeitsfest gehen, und du bist die Schönste!« Sylvia überlegte es sich trotzdem anders. Die Jeans aus Florenz mit den Perlenkettchen passte vielleicht doch besser und dazu das T-Shirt von Mango, das sie von ihren Freundinnen zum Geburtstag bekommen hatte. Aber auch dieses Outfit verwarf sie bei einem kritischen Blick in den Spiegel. Eine halbe Stunde später war der Schrank leer, und auf dem Boden lag ein bunter Teppich aus verstreuter Kleidung. Sylvia schaute auf die Uhr. Hastig schlüpfte sie dann in den scharlachroten Trainingsanzug und trug Lipgloss auf. In der Hektik konnte sie sich nicht entscheiden, mit welchem Parfum sie Taimûr bei einer unauffälligen Annäherung betören wollte, also nahm sie gleich mehrere Fläschchen mit. Fehlte nur noch die Tasche. Da ihr aus ihrem beachtlichen Sortiment aber keine so richtig geeignet schien, beschloss sie kurzerhand, auf dem Weg nach al-Maâdi eine zu kaufen. In Gedanken schon auf dem Weg in die Apotheke, um sich vom Vater hundert Pfund zu leihen, stürmte sie aus dem Zimmer, vorbei an denGeschwistern, die vorm Fernseher sassen, und hinaus aus der Wohnung.
    Gestört von dem Gepolter, nahm Michael den Fuss vom Tisch und drehte sich nach Sylvia um, bekam aber nur noch ihre Hand zu sehen, die von draussen schnell die Haustür zuzog. Er schaltete den Ton ab – die Fernbedienung fest im Griff, wie immer, wenn er im Wohnzimmer sass – und sah Carol entrüstet an. »Ich werde es Mama sagen. Die bekloppte Kuh glaubt wohl, dass keiner was mitbekommt.«
    »Wenn du petzt, bringe ich dich um.«
    »Was Sylvia da macht, ist falsch, falsch und noch mal falsch! Und das weiss sie ganz genau.«
    »Und weil sie es weiss, wirst du sie gefälligst in Ruhe lassen. Sie kriegt das schon selbst klar.«
    »Zumindest müssen wir ihr sagen, dass wir es wissen. Sie ist einfach zu blöd, der ganze Klub weiss ja Bescheid.«
    »Tu mir den Gefallen, Michael, und lass sie in Ruhe! Sie regelt ihren Kram schon

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