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Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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Supermarket 39 . »Um emporzukommen, Ramsi«, hatte Âdil Adham 40 gesagt, »musst du gewisse Prinzipien über Bord werfen.« Gamâl erinnerte sich sogar noch an Âdil Adhams Tonfall und daran, wie er bei dem Wort »Prinzipien« kurz auf dem z innegehalten hatte. Was das »Über-Bord-Werfen«im Einzelnen beinhaltete, wurde nicht näher erläutert. Gamâl aber hatte klare Vorstellungen. Wer aufsteigen will, muss unverschämt, niederträchtig und ehrlos sein. Ausserdem gehört eine Portion Inkompetenz dazu, um die Machthabenden zufriedenzustellen. Man sollte auch prahlen können, zum Beispiel damit, wie man die Schöne flachgelegt hat, deren makellose Haut kein anderer je zu Gesicht bekommen hat. Geschäftliches wird wie folgt erledigt: lächeln, schmieren, zustechen. Die Waffen sind bekannt: ein dicker Umschlag, Beziehungen zu einer einflussreichen Person, ein Geschenk in Form einer Frau, ein Pornofilm, ein Messer zum Drohen oder auch, wenn nötig, zum Töten.
    Zur Abwicklung eines Geschäfts hatten Talaat und Gamâl einmal einen Profi auf dem Gebiet der Korruption aufgesucht. Gamâl hatte ein Szenario wie im Film erwartet: Sie bieten dem Mann einen Betrag an, er lehnt ab, sie erhöhen, am Ende nimmt er widerstrebend an, aber nur weil sie ihm so sympathisch seien. Er betont, dass er von dem Geld nicht einen Piaster einbehalte, sondern alles der Sache zugutekomme. Dieser Film aber hatte ein anderes Drehbuch, es glich einem Boxkampf: Der Kontrahent forderte eine bestimmte Summe und fletschte die schwarzen Zähne. Talaat reagierte mit einem überraschenden Schlag auf den Mund. Gamâl sass da und beobachtete den erbitterten Fight, während das Blut nur so spritzte. »Hätte Muhammad Ali, noch im Vollbesitz seiner Kräfte, den Kampf mit ihnen aufgenommen, dann hätten ihn die beiden Bestien bereits in der ersten Runde k.o. geschlagen.« Gamâl war bei dem Anblick übel geworden, so dass er am Abend im Bad den gesamten Mageninhalt erbrach.
    Einmal, er ging damals noch aufs Gymnasium, hatte ihm ein Freund seines Vaters, ein Militäroffizier, erklärt, wie das Leben funktioniert. »Gamâl, mein Sohn«, hatte der Offizier gedonnert, dass das Esszimmer bebte und ein Kristallglas zersprang, »hau kräftig drauf, und du steigst auf! Wie gesagt, immer kräftig drauf, und du steigst auf!« Wie konnte ein Mensch, der im Wohlstand aufgewachsen war, so widerwärtig und brutal sein? Gamâl wusste, dass er für diesen Weg nicht geeignet war. Sein türkischer Urgrossvater hatte keine Skrupel gekannt, er hätte jedem die Gedärme herausgerissen, der sich ihm entgegenstellte. Talaat glich ihm, er hatte die Statur eines Ringers und war mental allzeit bereit zu kämpfen.
    Gamâl weigerte sich strikt, seinen Vater anzurufen. Es gab da nämlich eine klare Abmachung: Nachdem der Vater seine Schuldenberge beglichen hatte, musste Gamâl versprechen, ihn nie mehr um einen Gefallen zu bitten.
    Talaat wusste nicht, dass Gamâl inzwischen Fotograf war. Er wusste auch nicht, dass Gamâl mit seinem früheren Leben radikal gebrochen hatte. Dass er eine neue Seite aufgeschlagen hatte und nun seiner Kreativität freien Lauf liess. Das Telefonat nahm eine seltsame Wendung. Sie kamen auf Mugabe zu sprechen, von dem Talaat noch nie etwas gehört hatte. »Vergiss nicht, was Ägypten uns angetan hat. Du solltest die Akte ein für alle Mal schliessen!«, brüllte Gamâl unvermittelt und legte auf.
    E s ist viel passiert. Schläge noch und noch haben uns zu Boden geschmettert. Wer aber stark ist, rappelt sich wieder auf und macht weiter. Die Schläge zeichnen meinen Körper, sie haben mein Lebenruiniert, mich von Frau, Kindern und Heimat getrennt. Sicher prägen sie mich.
    Der vernichtende Schlag jedoch war dieses unsägliche Gesetz, das der Industrieverband eingebracht hatte. Danach hatte jedes Eisenhalbzeug alle 150 Zentimeter das Siegel des Herstellers zu tragen. So wurde in Ägypten ein Eisenmonopol errichtet. Eisen ohne Siegel durfte im Hafen nicht mehr gelöscht werden.
    Natürlich stellten daraufhin weltweit alle Hersteller, mit denen wir Verträge hatten, die Lieferungen ein. Schliesslich hatten sie genug Abnehmer, auf uns konnten sie gut und gerne verzichten. Unsere Sonderwünsche zu berücksichtigen hätte eine Veränderung im Produktionsablauf bedeutet. Das war nicht machbar, zumal das Einkaufsvolumen Ägyptens für sie kaum ins Gewicht fiel. Als unsere Regierung das Gesetz erliess, wusste sie sehr genau, dass sich kein Hersteller auf der Welt dieser

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