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Arche Noah, Touristenklasse

Arche Noah, Touristenklasse

Titel: Arche Noah, Touristenklasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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füllte sich unsere bescheidene Wohnung bis zum Rande mit Ziegen, Wolken, Wasser und Talmudschülern. Wir forschten nach der Signatur des Täters, aber er hatte sie feig verborgen. Ich schlug vor, die quadratische Ungeheuerlichkeit zu verbrennen. Meine Gattin schüttelte traurig den Kopf und wies auf die eigentümliche Empfindlichkeit hin, durch die sich ältere Verwandte auszeichnen. Onkel Morris würde uns eine solche Kränkung niemals verzeihen, meinte sie.
    Wir beschlossen, daß wenigstens niemand anderer das Grauen je zu Gesicht bekommen sollte, schleppten es auf den Balkon, drehten es mit der öligen Seite zur Mauer und ließen es stehen.
    Eine der dankenswertesten Eigenschaften des menschlichen Geistes ist die Fähigkeit, zu vergessen. Wir vergaßen das Schreckensgemälde, das von hinten nicht einmal so schlecht aussah, und gewöhnten uns allmählich an die riesige Leinwand auf unserem Balkon. Eine Schlingpflanze begann sie instinktiv zu überwuchern.
    Manchmal des Nachts konnte es freilich geschehen, daß meine Frau jäh aus ihrem Schlummer empor fuhr, kalten Schweiß auf der Stirn:
    »Und wenn Onkel Morris zu Besuch kommt?«
    »Er kommt nicht«, murmelte ich verschlafen. »Warum sollte er kommen?«
    Er kam.
    Bis ans Ende meiner Tage wird mir dieser Besuch im Gedächtnis haften. Wir saßen gerade beim Essen, als die Türglocke erklang. Ich öffnete. Onkel Morris stand draußen und kam herein. Das Ölgemälde schlummerte am Balkon, mit dem Gesicht zur Wand.
    »Wie geht es euch?« fragte der Onkel meiner Gattin mütterlicherseits.
    Im ersten Schreck - denn auch ich bin nur ein Mensch - erwog ich, mich durch die offengebliebene Tür davonzumachen und draußen im dichten Nebel zu verschwinden. Gerade da erschien meine Frau, die beste Ehefrau von allen; bleich, aber gefaßt stand sie im Türrahmen und zwitscherte:
    »Bitte nur noch ein paar Sekunden, bis ich Ordnung gemacht habe! Ephraim, unterhalte dich so lange mit Onkel Morris. Das kann nur gut für dich sein.«
    Ich versperrte Onkel Morris unauffällig den Weg ins Nebenzimmer und verwickelte ihn in ein angeregtes Gespräch. Von nebenan klangen verdächtige Geräusche, schwere Schritte und ein sonderbares Pumpern, als schleppte jemand eine Leiter hinter sich her. Dann machte ein fürchterlicher Krach die Wände erzittern, und dann erklang die schwache Stimme der besten Ehefrau von allen: »Ihr könnt hereinkommen.«
    Wir betraten das Nebenzimmer. Meine Frau lag erschöpft auf der Couch und atmete schwer. An der Wand hing, noch leise schaukelnd, Onkelchens Ölgeschenk, verdunkelte das halbe Fenster und sah merkwürdig dreidimensional aus, denn es bedeckte noch zwei kleinere Gemälde nebst der Kuckucksuhr, und zwar dort, wo die Berge waren, die sich infolgedessen deutlich hervorwölbten.
    Auf Onkel Morris machte die bevorzugte Behandlung, die wir seinem Geschenk angedeihen ließen, den denkbar günstigsten Eindruck. Nur den Platz, an dem wir es aufgehängt hatten, fand er ein wenig dunkel. Wir baten ihn, nächstens nicht unangemeldet zu kommen, damit wir uns auf seinen Besuch vorbereiten könnten.
    »Papperlapapp«, brummte Onkel Morris leutselig. »Für einen alten Mann wie mich braucht man keine Vorbereitungen. Ein Glas Tee, ein paar belegte Brote, etwas Gebäck - das ist alles .«
    Seit diesem Zwischenfall lebten wir in ständiger Bereitschaft.
    Von Zeit zu Zeit hielten wir überraschende Alarmübungen ab: wir stellen uns schlafend - meine Frau ruft plötzlich:
    »Morris!« - ich springe mit einem Panthersatz auf den Balkon - unterdessen fegt meine Frau alles von den Wänden des Zimmers herunter - eine Notleiter liegt griffbereit unterm Bett - und im Handumdrehen ist alles hergerichtet. Wir nannten diese Übung »Unternehmen Haman« (weil es etwas mit Aufhängen zu tun hat).
    Nach einer Woche intensiven Trainings bewältigten wir die ganze Prozedur - vom Ausruf »Morris« über das aufgehängte Bild bis zur Verwischung sämtlicher Spuren - in knappen zweieinhalb Minuten. Ein bemerkenswerter sportlich-artistischer Rekord.
    Eines schicksalsschweren Schabbats kündigte uns Morris seinen Besuch an. Da er erst am Nachmittag kommen wollte, hatten wir genügend Zeit zur Vorbereitung und beschlossen, das Äußerste aus der Sache herauszuholen. Ich stellte rechts und links in schrägem Winkel zum Gemälde zwei Scheinwerfer auf, die ich mit rotem, grünem und gelbem Zellophanpapier verkleidete. Meine Frau besteckte den Goldrahmen mit erlesenen Blumen und Blüten. Und

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