Arche Noah, Touristenklasse
einen Monat warten müßten. Höchstens vierzehn Tage, sage ich.
Ich rief an. Der Kompagnon teilte mir mit, daß Nebenzahl seit vorgestern abwesend sei; irgendwelche Geschichten am Zollamt. Aber er glaubte von ihm ganz deutlich gehört zu haben, daß der Tisch in spätestens drei Wochen fertig wäre.
Wir brauchten gar nicht mehr anzurufen - pünktlich am Morgen des 3. Juni würde der Tisch vor unserem Haus abgeladen.
»Siehst du«, wandte ich mich an meine Frau. »Du hast von einem Monat gesprochen, ich von vierzehn Tagen. Drei Wochen sind ein schöner Kompromiß.«
Wir essen zurückgelehnt, wie die Römer. Sehr reizvoll.
3. Juni
Nichts. Anruf: keine Antwort. Meine Frau: Mitte August.
Ich: Ende Juli. Fuhr mit dem Bus nach Jaffa. An der Endstation hielt gerade ein Taxi, der Fahrer steckte den Kopf zum Fenster heraus und brüllte: »Nebenzahl, Nebenzahl!«
Sofort stiegen zwei weitere Passagiere ein. Einer von ihnen hatte seit sechs Monaten Präsenzdienst bei Nebenzahl, wegen einer Sesselgarnitur. Der andere, ein Physikprofessor, wartet erst seit zwei Monaten auf seinen Arbeitstisch. Unterwegs freundeten wir uns herzlich an. In Nebenzahls Werkstatt fanden wir nur den Kompagnon vor. Alles würde sich bestens regeln, sagte er. Mir raunte er verstohlen ins Ohr, daß Nebenzahl ganz ausdrücklich von Ende Juli gesprochen hätte, hundertprozentig Ende Juli. Ich warf einen Blick in die Werkstatt. Die stahlharten Bretter waren verschwunden.
Auf dem Rückweg diskutierten wir über Nebenzahls Persönlichkeit, über die Arbeit, die ihn so sehr in Anspruch nimmt, und über sein Bestreben, es allen recht zu machen. Daran wird er noch zugrunde gehen. Schon jetzt sieht er aus wie ein gehetztes Wild. Wir beschlossen, uns nächste Woche wieder an der Ausgangsstation der Nebenzahl-Linie zu treffen.
Meine Frau leugnet, sich jemals auf Ende August festgelegt zu haben. In gerechtem Zorn verlangte ich, daß von jetzt an alles schriftlich niedergelegt werden müßte.
30. Juli
Ich wette 5 Pfund auf den Termin Laubhüttenfest, das heuer in die erste Oktoberhälfte fällt. Meine Frau konterte mit dem Jahresende (gregorianischer Kalender). Ihre Begründung: Geburt eines Sohnes bei Nebenzahls. Meine Begründung: Kurzschluß. Alles schriftlich festgehalten.
An der Haltestelle stieß ein weiterer Nebenzahl-Satellit zu uns, ein älteres Mitglied des Obersten Gerichtshofs (Büchergestell, zwei Jahre). Der Konvoi rollte nach Jaffa. Nebenzahl steckte bis über beide Ohren in der Arbeit. Durch Garben von Sägespänen und das Dröhnen der Maschinen rief er uns zu, daß er unmöglich mit jedem einzelnen von uns sprechen könne. Ich wurde durch Akklamation zum Sprecher der Gruppe bestimmt. Nebenzahl versprach - diesmal feierlich -, daß Ende November alles geliefert sein würde, mein Tisch sogar etwas früher, um das jüdische Neujahr herum. Warum so spät? Weil Nebenzahls eine Tochter erwarten. Der Physikprofessor schlug vor, daß wir auch untereinander Wetten abschließen sollten. In der gleichen Straße befände sich ein Buchdrucker (Schaukelstuhl, 18 Monate), der uns die nötigen Toto-Formulare drucken würde. Gründung eines Nebenzahl-Klubs.
21. August
Diesmal fand die Klubsitzung bei uns statt. 31 Teilnehmer.
Das Mitglied des Obersten Gerichtshofs brachte die endgültig formulierten Statuten des Nebenzahl-Klubs mit. Wer ordentliches Mitglied werden will, muß mindestens sechs Monate gewartet haben. Mit geringerer Wartezeit wird man nur Kandidat. Genehmigung der Wettformulare. Es sind jeweils drei Sparten auszufüllen: a) versprochenes Datum der Fertigstellung, b) Ausrede, c) tatsächliches Datum der Lieferung (Tag, Monat, Jahr). Mit großer Mehrheit wurde beschlossen, ein Porträt in Auftrag zu geben: Josef Nebenzahl, bis über beide Ohren in Arbeit steckend und dem Beschauer mit festem Blick in die Augen sehend.
Die Klubmitglieder sind ungewöhnlich nette Leute, ohne Ausnahme. Wir bilden eine einzige, große, glückliche Familie.
Alle essen auf dem Fußboden.
2. Januar
Heute war ich an der Reihe, bei Nebenzahl vorzusprechen.
Er entschuldigte sich für die Verspätung: Zeugenaussage vor Gericht. Zeitverlust. Dann zog er ein kleines Notizbuch aus seiner Hosentasche, blätterte, überlegte angestrengt und versprach mir bindend, übermorgen nachmittag mit der Arbeit an unserem Tisch zu beginnen. Wir füllten sofort die Formulare aus. Meine Frau: l. Juni. Ich: 7. Januar nächsten Jahres.
1. Februar
Festversammlung des
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