Archer Jeffrey
Eton, wo er das Spektrum seiner Vorlieben um Squash, Golf und Tennis erweiterte und seine Abneigungen auf Mathematik, Jazz und Hürdenlauf ausdehnte.
Bei seinem Abgang von der Schule hinterließ er bei den Prüfern wiederum alles andere als einen bleibenden Eindruck. Dennoch verschaffte man ihm einen Studienplatz am Balliol College in Oxford, das von den Ratgebern des Paschas als die beste Universität der Welt gepriesen wurde. Die drei Jahre im Balliol bereicherten sein Leben um zwei neue Vorlieben, nämlich für Pferde und Frauen, sowie um drei weitere unausrottbare Abneigungen, nämlich gegen Politik, Philosophie und Ökonomie.
Am Ende dieses Lebensabschnitts in statu pupillari machte er auf seine Prüfer leider wieder so wenig Eindruck, daß er ohne Abschlußdiplom von der Hochschule abging. Der Vater, der die zwei Goals, die Henry bei dem Polomatch gegen Cambridge geschossen hatte, als durchaus zufriedenstellendes Resultat seiner Universitätskarriere ansah, schickte den Jungen zur Abrundung seiner Allgemeinbildung auf eine Weltreise. Henry genoß diese Form der Weiterbildung sehr und lernte am Rennplatz von Longchamps und in den Hinterhöfen von Bengasi mehr, als er während seiner gesamten Studienzeit an englischen Nobelschulen gelernt hatte.
Hätte ihn nicht kurz vor der Rückkehr seines geliebten Sohnes der Tod hinweggerafft, so wäre der Pascha stolz gewesen auf den hochgewachsenen, gutaussehenden jungen Mann, der ein Jahr später seinen Fuß wieder auf englischen Boden setzte und noch immer ein fast völlig akzentfreies Englisch sprach. Henry war zwar nun Waise, doch keineswegs ein armer Waise, da sein Vater ihm an bekannten Vermögenswerten rund zwanzig Millionen Pfund hinterlassen hatte, einschließlich eines Rennpferdegestüts in Suffolk, einer Jacht in Nizza und eines Palastes in Kairo. Das bei weitem Wertvollste aus der Hinterlassenschaft seines Vaters aber war ein gewisser Godfrey Barker, der beste Diener in ganz London. Was auch geschehen mochte, Barker organisierte, realisierte, reparierte alles im Handumdrehen.
Da er nichts Besseres zu tun hatte, bezog Henry die ehemalige Suite seines Vaters im Ritz. Er nahm sich nicht einmal die Mühe, die politischen Kommentare in der London Times zu lesen, sondern gab sich ausschließlich seinen Vergnügungen hin: Es war die einzige Daseinsform, auf die Eton, Oxford und sein ererbter Reichtum ihn in angemessener Weise vorbereitet hatten.
Um ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, muß man Henry freilich zugestehen, daß er außer einer beachtlichen Portion Charme und Eleganz auch genügend gesunden Menschenverstand besaß, um den erlauchten Kreis derer, denen er die Gunst seiner Freundschaft zuteil werden ließ, sehr sorgfältig abzugrenzen. In die nähere Wahl kamen nur Schulfreunde oder Studienkollegen, deren Besitzverhältnisse zwar an die seinigen nicht heranreichten, die jedoch mit Sicherheit keinen Anlaß zu der Befürchtung gaben, sie könnten ihn jemals, etwa zur Begleichung von Wettschulden, um Geld anschnorren.
Fragte man Henry nach seiner ersten große Liebe, fiel es ihm schwer, sich zwischen Pferden und Frauen zu entscheiden, da er die Kunst beherrschte, seine Tage mit ersteren und seine Nächte mit zweiteren zu verbringen, ohne daß es jemals zu Eifersuchtsszenen oder wechselseitigen Beschuldigungen kam. Er unterzog sich daher auch nie der Mühe, diese Frage eindeutig zu klären. Die meisten seiner Pferde waren rassige, temperamentvolle, dunkeläugige Geschöpfe mit samtiger Haut und geschmeidigen Bewegungen, und diese Beschreibung hätte ebensogut auch auf die meisten seiner Freundinnen gepaßt. Henry knüpfte und löste amouröse Beziehungen zu allen Revuemädchen des „Palladium“, und jedesmal, wenn ein solches Verhältnis zu Ende ging, sorgte Barker zur Verhütung etwaiger Skandale dafür, daß die betreffende Dame in Form eines großzügigen Geschenkes eine angemessene Abfindung erhielt. Außerdem gewann Henry noch vor seinem fünfunddreißigsten Lebensjahr jedes der klassischen Pferderennen, die auf englischen Rasen ausgetragen werden, und Barker schien immer genau zu wissen, in welchem Jahr er auf seinen Herrn setzen konnte.
Bald verlief Henrys Leben nach einer festen, ihn niemals langweilenden Routine. Einen Monat im Jahr verbrachte er in Kairo, wo er sich aufreibender Geschäftstätigkeit widmete, drei Monate in Südfrankreich mit gelegentlichen Ausflügen nach Biarritz, und während der übrigen acht Monate residierte er im
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