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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die chinesische Statue und andere Uberraschungen
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der Revolution verschont geblieben waren. Danach machte ich eine kleine Bootsfahrt auf der Donau und verbrachte den Nachmittag im Schwimmstadion. Um sechs Uhr ging ich ins Hotel zurück, um mich umzukleiden. Dann machte ich mich mit den Zeitungen, die ich bei allen meinen Kameraden eingesammelt hatte, auf den Weg.
Zur Wohnung des Professors zu finden war gar nicht so einfach. Ich irrte durch winzige, kopfsteingepflasterte Gäßchen, und hielt von Zeit zu Zeit Passanten den Zettel mit der Adresse unter die Nase. Schließlich stand ich vor einem alten Wohnblock. Ich rannte über die hölzernen Treppen in den dritten Stock hinauf, mehrere Stufen auf einmal nehmend, und fragte mich im Laufen, wie lange wohl der alte Professor für diese Strecke brauchte. Vor seiner Wohnungstür angelangt klopfte ich an. Sogleich öffnete sich die Tür, als ob der alte Herr schon dahinter gewartet hätte. Mir fiel auf, daß er denselben Anzug trug wie bei unserer ersten Begegnung.
„Es tut mir leid, daß ich mich verspätet habe“, sagte ich.
„Keine Ursache, auch meine Studenten finden es beim erstenmal schwierig, zu mir zu finden“, sagte er und griff nach meiner Hand. Nach einer kurzen Pause setzte er hinzu: „In ein und demselben Satz sollte man nicht zweimal das gleiche Wort verwenden – Ausfindig machen’ wäre richtiger gewesen, nicht wahr?“ Er wartete meine Antwort erst gar nicht ab, sondern stapfte voraus. Durch einen dunklen, engen Gang erreichten wir sein Wohnzimmer, das erschreckend klein wirkte.
Drei Wände waren mit recht belanglosen Drucken und Aquarellen von englischen Landschaften behängt. An der vierten Wand stand ein großer Bücherschrank. Auf den ersten Blick konnte ich die Werke von Shakespeare, Dickens, Austin, Trollope, Hardy und sogar Evelyn Waugh und Graham Greene ausmachen. Auf dem Tisch lag eine vergilbte Nummer des New Statesman. Ich konnte keinerlei Familienphotos oder andere Hinweise auf etwaige Mitbewohner entdecken, und auch der Tisch war nur für zwei Personen gedeckt. Der alte Herr starrte mit kindlicher Freude auf den Stoß von Zeitungen, die ich ihm mitgebracht hatte:
„Punch, Time, Observer – welch ein Fest!“ Er nahm die Gaben in Empfang und legte sie liebevoll auf sein Bett, daß in einer Ecke des Raumes stand. Danach entkorkte er eine Flasche Szürkebarát und begab sich in eine winzige Nische, die eine Kitchenette beherbergte; er machte sich an die Vorbereitung unseres Mahles und stellte mir gleichzeitig eine Menge Fragen über England, die ich ihm zu meiner Schande nur zu einem geringen Teil beantworten konnte.
„Bitte zu Tisch“, sagte der Professor nach einer kleinen Weile, „nehmen Sie Platz“, und nach kurzer Überlegung: „Sie sollen nicht hinter dem Stuhl stehen, sondern sich darauf setzen.“ Er stellte einen Teller vor mich hin, auf dem etwas lag, das wie eine Hühnerkeule aussah, außerdem ein Stück Salami und eine Tomate. Was mich traurig stimmte, war nicht die Kargheit des Mahles, sondern vielmehr der Umstand, daß es für ihn offensichtlich ein Festmahl war. So sehr ich mich auch bemühte, langsam zu essen und die Mahlzeit durch ausführliche Gespräche in die Länge zu ziehen, war sie bald beendet. Der alte Herr machte Kaffee, einen ziemlich bitteren Kaffee; dann stopfte er seine Pfeife, und wir sprachen über Shakespeare und seine Ansichten über A. L. Rowse. Dann wandte er sich der Politik zu.
„Stimmt es, daß England demnächst wieder eine LabourRegierung haben wird?“
„Die Meinungsumfragen deuten in diese Richtung“, erwiderte ich.
„Offenbar ist Sir Alec Douglas-Home den Engländern nicht beschwingt genug für die sechziger Jahre“, meinte der Professor und paffte kräftig an seiner Pfeife. „Ich habe Ihnen keine Pfeife angeboten“, sagte er nach einer Pause und blickte mich durch die Rauchwolken hindurch an. „Ich könnte mir denken, daß Sie nach Ihren sportlichen Leistungen von unlängst vielleicht lieber auf das Rauchen verzichten.“ Ich mußte lächeln.
„Aber Sir Alec ist ein Mann von großer politischer Erfahrung“, fuhr er fort „und es gereicht einem Land nicht zum Nachtteil, von einem so erfahrenen Staatsmann geführt zu werden.“
Hätte mein eigener Lehrer eine derartige Behauptung aufgestellt, so hätte ich schallend gelacht.
„Und was halten Sie vom Vorsitzenden der Arbeiterpartei?“ fragte ich, ohne dessen Namen zu nennen.
„Der ist ein Produkt des technologischen Zeitalters – da bin ich nicht so sicher. Gaitskell mochte ich

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