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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die chinesische Statue und andere Uberraschungen
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– das war ein kluger und schlauer Mann. Er starb zu früh. Attlee war ein Herr, wie Sir Alec auch. Was aber Mr. Wilson betrifft – nun, über seine Qualitäten wird erst die Geschichte zu befinden haben.“
Darauf wußte ich nichts zu antworten.
„Nachdem wir uns letztens getrennt hatten, ging mir durch den Sinn, wie schwer die Suez-Krise Ihr Land getroffen haben muß, nachdem es erst wenige Jahre zuvor einen Krieg gewonnen hatte. Es wäre Aufgabe der Amerikaner gewesen, euch zu Hilfe zu kommen. Jetzt, im nachhinein, wird uns weisgemacht, daß Premierminister Eden damals leidend war, in Wahrheit aber wurde er von seinen engsten Verbündeten just in dem Augenblick, in dem er deren Hilfe am allerdringendsten benötigt hätte, im Stich gelassen.“
„Vielleicht hätten wir 1956 Ihrem Land zu Hilfe kommen sollen?“
„Nein, nein. Damals war es für den Westen schon zu spät, sich die ungarischen Probleme aufzuhalsen. Churchill hatte das als einziger begriffen, als er damals über Berlin hinausmarschieren wollte, um alle Staaten, die an Rußland grenzen, zu befreien. Aber der Westen war kriegsmüde, und Stalin nutzte die Gunst der Stunde. Churchill sah voraus, wie das enden würde, als er den Begriff des ,Eisernen Vorhangs’ prägte. Es ist verwunderlich, daß dieser große Staatsmann das Britische Weltreich für unvergänglich hielt – tatsächlich überlebte es diesen Satz nur um fünfundzwanzig Jahre. Wäre doch Churchill 1956 noch an den Hebeln der Macht gestanden!“
„Hat die Revolution Ihr Leben sehr verändert?“
„Ich habe keinen Grund zur Klage. Es ist eine Auszeichnung, Professor für Anglistik an einer großen Universität zu sein. Man macht mir keine Schwierigkeiten, und noch gilt Shakespeare nicht als subversive Literatur.“ Er machte einen tiefen Zug aus seiner Pfeife. „Und was sind Ihre Pläne nach Abschluß Ihres Studiums? Daß Ihre Zukunft nicht im Sport liegt, haben Sie in diesen Tagen anschaulich vor Augen geführt.“
„Ich möchte Schriftsteller werden.“
„Ja, dann müssen Sie reisen, reisen und wieder reisen. Erwarten Sie nicht, daß Sie alles aus Büchern erfahren können. Sie müssen die Welt kennengelernt haben, um sie anderen begreiflich machen zu können.“
Mein Blick fiel auf die alte Standuhr, und ich merkte, daß die Zeit wie im Fluge vergangen war.
„Ich fürchte, daß ich Sie jetzt verlassen muß. Um zehn Uhr müssen wir alle im Hotel sein.“
Er lächelte über mein in englischen Internaten geschultes Pflichtgefühl.
„Natürlich. Ich werde Sie bis zum Kossuth-Platz begleiten, von dort aus können Sie Ihr Hotel auf dem gegenüberliegenden Hügel sehen.“
Beim Weggehen fiel mir auf, daß er seine Wohnungstüre nicht abschloß; er besaß wohl nicht mehr viele irdische Güter, um die er hätte bangen müssen. Behende führte er mich durch das Labyrinth von Gäßchen, das mir am Hinweg solche Schwierigkeiten gemacht hatte. Dabei plauderte er ohne Unterlaß, erklärte mir die Geschichte dieses oder jenes Hauses; er war ein profunder Kenner nicht nur meiner, sondern auch seiner Heimat. Als wir am Kossuth-Platz angelangt waren, ergriff er meine Hand und schien sie nicht mehr loslassen zu wollen. Eine Angewohnheit einsamer Menschen.
„Ich danke Ihnen, daß Sie es einem alten Mann ermöglicht haben, so ausführlich über sein liebstes Thema zu sprechen.“
„Und ich danke Ihnen für Ihre Gastfreundschaft“, erwiderte ich, „wenn Sie das nächste Mal in Somerset sind, müssen Sie bitte unbedingt nach Lympsham kommen, ich möchte Ihnen gerne meine Familie vorstellen.“
„Lympsham? Ich weiß im Augenblick nicht, wo das liegt“, sagte er nachdenklich.
„Das wundert mich nicht – das Dorf hat nur zweiundzwanzig Einwohner.“
„Gerade genug für zwei Cricket-Teams“, bemerkte der Professor. „Ich muß Ihnen allerdings gestehen, daß ich dieses Spiel nie begriffen habe.“
„Machen Sie sich nichts daraus. Da ergeht es Ihnen wie den meisten Engländern.“
„Es würde mich aber doch interessieren zu erfahren, was man unter einem Gully, einem Noball oder einem Night-Watchman versteht.“
„Um so sicherer müssen Sie mich bei Ihrer nächsten Englandreise besuchen, damit ich Sie mit den Spielregeln vertraut machen kann.“
„Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen“, antwortete er, und nach kurzen Zögern fügte er hinzu: „Ich glaube allerdings nicht, daß wir einander wiedersehen werden.“
„Warum nicht?“ fragte ich erstaunt.
„Sie müssen wissen, daß ich in

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