Archer Jeffrey
-«
»Ja, Mr. Charles?« sagte sie an der Tür.
»Ich glaube, meine Frau erwartet Ihren Anruf. Irgend etwas mit einer Einladung zum Lunch im Savoy Grill.«
17
»Ein blaues Hemd«, sagte Raymond und beäugte mißtrauisch das Etikett. »Ein blaues Hemd«, wiederholte er.
»Ein Geschenk zum vierzigsten Geburtstag«, rief Kate aus der Küche.
Das werde ich nie anziehen, dachte er und lächelte.
»Und du wirst es bestimmt tragen«, sagte sie. Ihr Bostoner Akzent klang ein wenig scharf.
»Du kannst sogar meine Gedanken lesen«, beklagte er sich, als sie aus der Küche kam.
In dem Kostüm, das sie im Büro trug, fand er sie immer besonders schick.
»Weil du so leicht zu durchschauen bist, Karottenkopf.«
»Überhaupt, woher wußtest du von meinem Geburtstag?«
»Eine langwierige Detektivarbeit unter Mitwirkung eines fremden Agenten und mit Hilfe einer kleinen Zahlung.«
»Ein fremder Agent. Wer?«
»Der Zeitungsverkäufer, Liebling. In der Sunday Times findest du die Geburtstage aller bekannten Persönlichkeiten in den folgenden sieben Tagen. In einer Woche, in der nur Mittelmaß geboren wurde, hast du es geschafft, erwähnt zu werden.«
Raymond lachte.
»Und jetzt hör zu, Karottenkopf.«
Raymond gab vor, seinen neuen Spitznamen zu hassen. »Mußt du mir einen so widerlichen Namen geben?«
»Ja, Raymond kann ich nämlich nicht leiden.«
Er brummte. »Überdies sind Karottenspitzen grün.«
»Kein Kommentar. Probier dein Hemd.«
»Jetzt?«
»Jetzt.«
Er zog die schwarze Jacke und die Weste aus und öffnete den Knopf des steifen Hemdkragens, der einen kleinen Kreis auf seinem Adamsapfel hinterließ. Gekraustes rotes Haar bedeckte seine ganze Brust. Rasch zog er das Geschenk an. Das Material war angenehm und weich. Er begann das Hemd zuzuknöpfen, Kate jedoch öffnete die zwei obersten Knöpfe wieder.
»Weißt du, du hast dem Wort ›zugeknöpft‹ eine ganz neue Bedeutung gegeben …«
Wieder brummte Raymond.
»Aber richtig angezogen könntest du als gutaussehend gelten. So, und wo wollen wir deinen Geburtstag feiern?«
»Im Unterhaus?« schlug Raymond vor.
»Du meine Güte. Ich sprach von feiern, nicht von Trübsal blasen. Wie wäre es mit Annabel’s?«
»Ich kann es mir nicht leisten, dort gesehen zu werden.«
»Meinst du mit mir?«
»Nein, dummes Mädchen, sondern weil ich Sozialist bin.«
»Wenn man Labour-Leuten nicht erlaubt, eine gute Mahlzeit zu genießen, wäre es vielleicht an der Zeit, daß du die Partei wechselst. In meinem Land sieht man in den besten Restaurants nur Demokraten.«
»Ach, Kate, bleib doch bitte ernst.«
»Das will ich ja. Was hast du in letzter Zeit im Unterhaus alles getan?«
»Nicht viel«, sagte Raymond verlegen, »ich hatte oft bei Gericht zu tun und …«
»Eben. Es ist höchste Zeit, daß du etwas Positives machst, bevor deine Parlamentskollegen deine Existenz vergessen.«
»Denkst du an etwas Bestimmtes?« fragte Raymond und kreuzte die Arme über der Brust.
»Ja. In derselben Zeitung, in der ich auch dein wohlgehütetes Geheimnis entdeckte, las ich auch, daß die Labour Party Schwierigkeiten hat, die Gewerkschaftsgesetze der Tories aufzuheben. Offenbar gibt es langfristige rechtliche Konsequenzen, die die erste Bankreihe zu umgehen versucht. Warum setzt du nicht deinen angeblich ›erstklassigen‹ Verstand ein, um die juridischen Feinheiten auszuarbeiten?«
»Gar keine schlechte Idee.« Raymond hatte sich an Kates politischen Instinkt gewöhnt, und als er ihn einmal erwähnte, meinte sie nur: »Bloß eine weitere schlechte Gewohnheit, die ich von meinem Mann übernommen habe.«
»Also, wo wollen wir feiern?« fragte sie.
»Ein Kompromiß«, schlug Raymond vor.
»Ich bin ganz Ohr.«
»Im Dorchester.«
»Wenn du darauf bestehst.« Es klang nicht übermäßig begeistert.
Raymond zog das Hemd aus.
»Nein, nein, Karottenkopf, es gibt Menschen, die mit einem blauen Hemd ins Dorchester gehen.«
»Ich habe aber keine passende Krawatte«, sagte Raymond triumphierend.
Kate griff in die Einkaufstasche und zog eine dunkelblaue Seidenkrawatte hervor.
»Die ist ja gemustert«, sagte Raymond empört. »Was erwartest du als nächstes?«
»Kontaktlinsen«, sagte sie.
Raymond starrte sie an und zwinkerte.
Auf dem Weg durch das Vorzimmer fiel Raymonds Blick auf ein grellbunt verpacktes Paket, das Joyce vor ein paar Tagen aus Leeds geschickt hatte. Er hatte völlig vergessen, es zu öffnen.
»Verdammt«, sagte Charles, legte die Times weg und trank seinen Kaffee aus.
»Was ist los?« fragte Fiona und
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