Archer Jeffrey
zugeben, daß es immer schwieriger wurde, alle notwendigen Unterlagen zu bekommen.
William glaubte nicht, daß die Vereinigten Staaten in einen europäischen Krieg eintreten würden, dessenungeachtet hielt er die Londoner Niederlassung von Lesters offen, um zu zeigen, wo seine Sympathien lagen, und dachte keinen Augenblick daran, die sechstausend Morgen Land in Hampshire und Lincolnshire zu verkaufen. Tony Simmons jedoch informierte William, daß er beabsichtige, Kane and Cabots Londoner Niederlassung zu schließen. William benutzte die in London entstandenen Probleme als Vorwand, sein geliebtes Boston aufzusuchen und Tony zu treffen.
Seit die beiden Präsidenten keine Rivalen mehr waren, war ihre Beziehung überaus entspannt und freundschaftlich; ja, jeder benutzte den anderen als Sprungbrett für neue Ideen. Wie Tony vorausgesagt hatte, verlor Kane and Cabot, als William Präsident von Lesters wurde, einige wichtige Kunden, doch William hielt Tony immer auf dem laufenden, wenn ein alter Klient sein Konto verlegen wollte, und niemals redete er jemandem zu, dies zu tun. Als sie sich am Ecktisch von Locke-Ober zum Lunch setzten, begann Tony Simmons sofort von seiner Absicht zu sprechen, Kane and Cabot in London zu schließen.
»Mein erster Grund ist ganz einfach«, sagte er und nippte an dem importierten Burgunder, ohne einen Gedanken darauf zu verwenden, daß viele Weingärten Frankreichs vermutlich von deutschen Stiefeln zertrampelt werden würden. »Ich fürchte, die Bank wird Geld verlieren, wenn wir uns nicht aus England zurückziehen.«
»Natürlich wirst du ein wenig Geld verlieren«, sagte William, »aber wir müssen die Engländer unterstützen.«
»Warum? Wir sind eine Bank und kein Unterstützungsverein.«
»England ist kein Baseballteam, Tony; es ist das Volk, dem wir unser ganzes Erbe verdanken…«
»Du solltest in die Politik gehen«, sagte Tony. »Ich glaube, im Bankgeschäft sind deine Talente verschwendet. Überdies gibt es noch einen bedeutenderen Grund, warum wir die Bank in London schließen müssen. Wenn Hitler England ebenso überrennt wie Polen und Frankreich - und ich bin überzeugt, daß er das plant -, dann wird die Bank übernommen, und wir verlieren jeden Penny, den wir in London haben.«
»Nur über meine Leiche«, sagte William. »Wenn Hitler auch nur einen Fuß auf britischen Boden setzt, wird Amerika in den Krieg eintreten.«
»Niemals«, behauptete Tony. »Roosevelt sagte, ›jede Hilfe außer Krieg‹. Und die amerikanischen Isolationisten würden laut aufheulen.«
»Glaub keinem Politiker«, sagte William. »Besonders nicht Roosevelt. Wenn er ›niemals‹ sagt, meint er nur ›nicht heute‹ oder zumindest ›nicht heute morgen‹! Denk daran, was Wilson uns 1916 sagte.«
Tony lachte. »Wann wirst du für den Senat kandidieren?«
»Das ist eine Frage, auf die ich mit Sicherheit ›niemals‹ antworten kann.«
»Ich respektiere deine Ansicht, William, aber fort aus England.«
»Du bist Präsident«, erwiderte William. »Wenn der Aufsichtsrat hinter dir steht, kannst du London morgen schließen, und ich würde meine Position nie nützen, um gegen einen Mehrheitsbeschluß aufzutreten.«
»Bis du die beiden Banken fusionierst und es dein Beschluß wird.«
»Ich sagte dir schon einmal, Tony, daß ich das, solange du Präsident bist, nie versuchen werde. Es ist ein Versprechen, das ich zu halten beabsichtige.«
»Aber ich glaube, wir sollten fusionieren.«
»Was?«
William schüttete etwas von seinem Burgunder auf das Tischtuch. Er traute seinen Ohren nicht. »Du lieber Himmel, etwas muß man dir lassen, Tony, du bist wirklich unberechenbar.«
»Wie immer, habe ich nur das Interesse der Bank im Auge, William. Überleg dir einmal unsere Situation. New York wird immer mehr zum Mittelpunkt der amerikanischen Finanzwelt, und sollte England untergehen, so wird es der Mittelpunkt der Weltfinanz werden. Daher muß Kane and Cabot in New York sein. Wenn wir fusionieren, wären wir auch eine wesentlich umfassendere Institution, weil wir einander ergänzen; Kane and Cabot hat immer schon den Schiffsbau und die Schwerindustrie finanziert, Lester macht in dieser Richtung wenig. Anderseits finanziert ihr eine Menge Versicherungen, ein Geschäft, das wir kaum anrühren. Ganz zu schweigen davon, daß wir in vielen Städten Büros haben, die genau das gleiche tun.« - »Tony, du hast mit allem, was du sagst, recht, aber ich würde trotzdem in England bleiben wollen.«
»Eben das bestärkt mein Argument.
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