Archer Jeffrey
Warenkontrolle, die Barzahlungen und die Beaufsichtigung von achtzehn Verkäufern zu ihren Pflichten. Bei Bloomingdale war man sich darüber im klaren, daß Jessie Kovats einmal eine ideale Einkäuferin werden würde.
Florentyna hatte ihrem Arbeitgeber noch nicht mitgeteilt, daß sie das Kaufhaus bald verlassen würde, um Vizepräsidentin der BaronGruppe zu werden. Als die sechs Monate zu Ende gingen, fragte sie sich, was nach ihrem Abgang mit der armen Maisie geschehen würde. Maisie nahm an, daß Jessie, wie alle anderen, ein Leben lang bei Bloomingdale bleiben würde; etwas anderes kam ihr nicht in den Sinn. Florentyna dachte sogar daran, sie in einem der Läden des New York Baron anzustellen. Solange Maisie hinter einem Ladentisch stand, an dem Männer Geld ausgaben, war sie ihr Geld wert.
Eines Nachmittags, als Maisie einen Kunden bediente - sie arbeitete jetzt in der Abteilung für Handschuhe, Schals und Wollmützen -, nahm sie Florentyna beiseite und zeigte ihr einen jungen Mann, der Handschuhe aussuchte.
»Was hältst du von dem?« fragte sie kichernd.
Florentyna betrachtete Maisies neuestes Opfer mit der üblichen Gleichgültigkeit, aber diesmal mußte sie zugeben, daß der Mann recht gut aussah, und beinahe beneidete sie Maisie.
»Sie wollen alle nur eines, Maisie.«
»Ich weiß. Und das kann er haben.«
»Ich bin sicher, daß er das gern hören wird«, sagte Florentyna
lachend und wandte sich einem anderen Kunden zu, der sich ärgerte, weil Maisie ihn nicht beachtete. Maisie nutzte Florentynas Beistand aus und bediente den handschuhlosen jungen Mann. Florentyna beobachtete die beiden aus dem Augenwinkel. Es amüsierte sie, daß der Käufer sie immer wieder nervös anschaute; offensichtlich hatte er Angst, daß Maisie von einer Vorgesetzten beobachtet werden könnte. Maisie kicherte und lächelte, und der junge Mann verließ das Geschäft mit einem Paar dunkelblauer Lederhandschuhe.
»Nun, hat er deinen Erwartungen entsprochen?« fragte Florentyna und fühlte, daß sie ein wenig eifersüchtig war.
»Noch nicht«, erwiderte Maisie, »aber er kommt bestimmt zurück.« Sie lachte.
Maisies Prophezeiung erwies sich als richtig. Am folgenden Tag sah
man den jungen Mann wieder in den Handschuhen kramen; er wirkte noch verlegener.
»Ich glaube, du solltest ihn bedienen«, sagte Florentyna.
Folgsam eilte Maisie von dannen. Als der junge Mann kurz darauf mit einem zweiten Paar dunkelblauer Handschuhe abzog, konnte Florentyna kaum ein lautes Lachen unterdrücken.
»Zwei Paar!« erklärte Florentyna. »Ich glaube, ich kann im Namen von Bloomingdale sagen, daß er dich verdient hat.«
»Aber er wollte noch immer nicht mit mir ausgehen.«
»Was?« staunte Florentyna. »Dann muß er ein Handschuhfetischist sein.«
»Das war eine große Enttäuschung«, sagte Maisie, »er gefällt mir.«
»Ja, er sieht gut aus«, gab Florentyna zu.
Als der junge Mann am nächsten Tag wieder erschien, ließ Maisie eine alte Dame mitten im Satz stehen, um zu ihm zu eilen. Florentyna übernahm rasch Maisies Kundin und beobachtete die beiden wieder aus dem Augenwinkel. Diesmal schienen sie in ein Gespräch vertieft, und schließlich ging der junge Mann mit einem dritten Paar Handschuhen aus dem Geschäft.
»Das ist die wahre Liebe«, sagte Florentyna.
»Vielleicht, aber er hat mich immer noch nicht gebeten, mit ihm auszugehen.«
Florentyna war sprachlos.
»Hör zu«, bat Maisie verzweifelt, »bedienst du ihn, wenn er morgen wiederkommt? Ich glaube, er hat Angst, mich direkt zu bitten. Vielleicht fällt es ihm leichter, mit deiner Vermittlung ein Rendezvous auszumachen.«
Florentyna lachte. »Eine Viola für deinen Orsino.«
»Was?«
»Ach, nichts«, beschwichtigte Florentyna. »Ob ich auch imstande bin, ihm ein Paar Handschuhe zu verkaufen?«
Was immer der junge Mann war - jedenfalls war er hartnäckig, dachte Florentyna, als er am nächsten Tag zu genau der gleichen Zeit durch die Drehtür kam und sofort auf den Handschuhtisch zusteuerte. Maisie stieß Florentyna in die Rippen, und Florentyna fand, sie könne sich auch einmal amüsieren.
»Guten Tag.«
»Ach, guten Tag«, sagte der junge Mann und sah erstaunt aus oder enttäuscht?
»Kann ich Ihnen helfen?«
»Nein - ich meine, ja. Ich möchte ein Paar Handschuhe«, fügte er mit wenig Überzeugung hinzu.
»Haben Sie an ein dunkelblaues Paar gedacht? Leder? Wir haben bestimmt Ihre Größe - außer wir sind ausverkauft.«
Der junge Mann schaute sie mißtrauisch an, als sie ihm die
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