Archer Jeffrey
Bettrahmen verursachte, glich jenem, das Wladek nur allzu gut gekannt hatte. Er fiel aus dem Bett und griff nach seinen Kleidern.
»Zuerst wirst du dich waschen, mein Junge. Wir wollen doch nicht, daß Mr. Prendergast so früh am Morgen von deinem scheußlichen Geruch belästigt wird, nicht wahr?«
Wladek wußte nicht recht, was er waschen sollte, so ungewohnt sauber fühlte er sich. Der Korporal starrte ihn an.
»Was ist mit deinem Bein los?«
»Nichts, gar nichts«, sagte Wladek und wandte sich von den prüfenden Blicken ab.
»Gut. Ich bin in drei Minuten zurück. Drei Minuten, verstanden, mein Junge? Sieh zu, daß du fertig bist.«
Wladek wusch rasch Gesicht und Hände, dann zog er sich an. Er stand in seinem langen Bärenfellmantel am Bettende, als Korporal Smither zurückkam, um ihn zum Zweiten Konsul zu führen. Mr. Prendergast begrüßte ihn und schien wesentlich freundlicher als bei der ersten Audienz.
»Guten Morgen, Koskiewicz.«
»Guten Morgen, Sir.«
»Hat dir das Frühstück geschmeckt?«
»Ich kein Frühstück gehabt, Sir.«
»Warum nicht?« fragte der Zweite Konsul den Korporal. »Er hat verschlafen, Sir. Er hätte sich verspätet.«
»Nun, dann müssen wir sehen, was sich da machen läßt. Fragen Sie Mrs. Henderson, ob sie einen Apfel oder sonst etwas einpacken kann, Korporal.«
»Ja, Sir.«
Wladek und der Zweite Konsul gingen langsam den Korridor entlang zum Tor der Botschaft und über den kiesbestreuten Hof zu einem wartenden Wagen. Es war ein Austin, eines der wenigen Automobile in der Türkei, und es war Wladeks erste Autofahrt. Die Botschaft, der erste Ort, an dem er sich seit langer Zeit sicher gefühlt hatte, zu verlassen, fiel ihm nicht leicht. Ob er jemals in seinem Leben mehr als eine Nacht in demselben Bett schlafen würde? Der Korporal kam die Treppe heruntergelaufen und setzte sich auf den Fahrersitz. Er gab Wladek einen Apfel und ein Stück frisches warmes Brot.
»Paß auf, daß du keine Brotkrumen im Auto verstreust, Junge. Übrigens läßt dich unsere Köchin schön grüßen.«
Sie fuhren im Schrittempo durch die heißen, überfüllten Straßen, da die Türken überzeugt waren, daß sich nichts schneller als ein Kamel bewegen könne.
Daher machten sie nicht einmal den Versuch, dem kleinen Austin auszuweichen. Trotz des offenen Fensters schwitzte Wladek in der drückenden Hitze, während Mr. Prendergast kühl und gelassen blieb. Aus Angst, jemand, der gestern auf dem Marktplatz gewesen war, könne ihn erkennen und den Pöbel neuerlich aufhetzen, drückte sich Wladek in eine Wagenecke. Als der kleine Austin vor einem niedrigen, verfallenen Gebäude mit der Aufschrift »Konsulat Polski« anhielt, war Wladek nicht nur aufgeregt, sondern auch ein wenig enttäuscht.
Alle drei stiegen aus.
»Wo ist das Kerngehäuse des Apfels?« fragte der Konsul.
»Gegessen.«
Der Korporal lachte und klopfte an die Tür. Sie wurde von einem freundlich aussehenden Mann mit dunklem Haar und breitem Kinn geöffnet. Der Mann war in Hemdsärmeln und braungebrannt. Er sprach sie auf polnisch an. Seit dem russischen Arbeitslager waren es die ersten Worte, die Wladek in seiner Muttersprache hörte. Wladek antwortete rasch und erklärte, warum er gekommen war. Sein Landsmann wandte sich an den Zweiten britischen Konsul.
»Hier herein, Mr. Prendergast«, sagte er in perfektem Englisch. »Ich danke Ihnen, daß Sie den Jungen persönlich zu mir gebracht haben.«
Bevor Mr. Prendergast und der Korporal sich verabschiedeten, wurden noch einige diplomatische Floskeln ausgetauscht. Wladek schaute die beiden an und suchte nach einem englischen Wort, das mehr ausdrückte als ›danke‹.
Mr. Prendergast streichelte Wladeks Kopf, als wäre der Junge ein Cockerspaniel. Der Korporal schloß die Tür und nickte Wladek zu. »Viel Glück, mein Junge, weiß Gott, du verdienst es.«
Der polnische Konsul stellte sich Wladek als Pawel Zaleski vor. Wieder wurde Wladek aufgefordert, seine Lebensgeschichte zu erzählen, und er fand es auf polnisch wesentlich einfacher als auf englisch. Pawel Zaleski hörte ihn schweigend an, dann schüttelte er sorgenvoll den Kopf.
»Mein armes Kind«, sagte er betrübt. »Für jemanden so jungen hast du mehr als deinen Anteil am Leid unserer Heimat ertragen. Und was sollen wir jetzt mit dir tun?«
»Ich will nach Polen, um mein Schloß zurückzufordern«, sagte Wladek.
»Polen«, erwiderte Pawel Zaleski. »Wo ist das? In der Gegend, in der du gelebt hast, finden immer noch heftige Kämpfe zwischen Polen
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