Archer Jeffrey
darauf verzichtet werden. Wann immer der Mehrheitssprecher sich für eine Unterbrechung, nicht für eine Vertagung entscheidet, verlängert er damit den sogenannten legislativen Tag. Und da vom Ausschuß eingebrachte Gesetzesvorlagen einen solchen Tag lang liegenbleiben müssen, bevor der Antrag auf Erledigung in Kraft tritt, können Unterbrechungen dazu genützt werden, eine bestimmte Maßnahme hinauszuzögern. Der legislative Tag kann über Tage, Wochen, ja sogar möglicherweise über Monate ausgedehnt werden. Diese Vorlage nun wurde in einem Minimum an Zeit durchgebracht. Wenn die Präsidentin am 10. März keine Mehrheit bekommen sollte, könnte sie das Gesetz erst nach ihrer Wiederwahl vorlegen. Das wäre ein Sieg für die Gegner des Gesetzes. Und wenn man den Umfragen trauen darf, ist ihre Wiederwahl keineswegs gesichert. Heutzutage werden die Amerikaner ihrer Präsidenten sehr schnell müde. Der 10. ist also der Stichtag. Sonst müssen wir die Waffenkontrolle vergessen.«
»Was könnte einer Annahme am 10. im Wege stehen?«
»Nichts, was mir im Augenblick einfällt, außer der Tod der Präsidentin. Er würde alle Aktivitäten des Senats sieben Tage lang unterbinden. Aber die Präsidentin scheint sich bester Gesundheit zu erfreuen; vielleicht ein wenig müde – aber jemand wie ich hat kein Recht, das zu erwähnen.«
Mark wollte Leykam eben nach Brooks fragen, als der Direktor auf die Uhr schaute.
»Mein Gott, es ist spät«, rief er aus. »Ich muß zurück. Eigentlich sollte ich immer als erster da sein und alles in Ordnung bringen, damit die Senatoren glauben, wir hätten den Saal gar nicht verlassen.«
Mark dankte ihm, Leykam nahm die Rechnung und unterschrieb.
»Wann immer Sie Hilfe oder Informationen brauchen, wenden Sie sich ungeniert an mich.«
»Gerne. Vielen Dank«, sagte Mark.
Der dicke Mann watschelte davon, so schnell er konnte. Mark blieb vor seinem Kaffee sitzen und grübelte. Der Mann am anderen Tisch hatte seinen Kaffee getrunken und wartete, was Mark jetzt tun würde. Wieder schrillten die verdammten Signale. Das Schrillen zeigte an, daß die Ja- und Nein-Stimmen im Senatssaal gezählt wurden. Nach der Abstimmung würden die Senatoren wieder in die verschiedenen Ausschüsse zurückkehren. Das Signal riß Mark aus seinen Überlegungen. Er ging ins Dirksen Building, in die Suite des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten, wo er nach Mr. Kenneck fragte.
»Wen darf ich melden?«
»Andrews, ich bin Student in Yale.«
Sie drückte zwei Knöpfe am Telefon und gab weiter, was sie von Mark erfahren hatte.
»Er ist im Zimmer 4491.«
Mark dankte ihr und ging ins Zimmer 4491, das nur ein paar Schritte entfernt war.
»Nun, Andrews, was kann ich für Sie tun?« fragte Kenneck, noch bevor Mark die Tür geschlossen hatte.
Die plötzliche Frage verwirrte Mark. Er faßte sich wieder.
»Ich arbeite an einer Dissertation über die Aufgaben der Senatoren, Mr. Kenneck. Mr. Leykam hat mich an Sie verwiesen. Ich wüßte gern, ob die Senatoren Nunn und Pearson am Donnerstag, dem 3. März um zehn Uhr dreißig bei der Sitzung des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten anwesend waren.«
Kenneck beugte sich über ein in rotes Leder gebundenes Buch. »Nunn – nein«, er machte eine Pause. »Pearson – nein. Noch etwas, Mr. Andrews?« Offensichtlich war er in Eile.
»Nein, danke.«
Mark ging in die Bibliothek. Wenn das FBI das Gespräch auf der illegalen Frequenz richtig mitgehört hatte, dann blieben nur mehr fünf Senatoren, die am Morgen des 3. März im Senat gewesen waren. Er überprüfte seine Notizen: Jeder der verbleibenden Verdächtigen – Brooks, Byrd, Dexter, Harrison und Thornton – war Mitglied des Justizausschusses und hatten an der Senatssitzung über das Waffenkontrollgesetz teilgenommen. Fünf Männer und ein Motiv?
Jemand folgte ihm, als er das Zimmer verließ, mit dem Lift ins Erdgeschoß fuhr und zu einer Telefonzelle in der Constitution Avenue ging.
Mark wählte die Geheimnummer des Direktors. »Hier Julius.«
»Wie ist Ihre Nummer?«
Mark nannte sie ihm. Ein paar Sekunden später rief der Direktor zurück.
»Nunn und Pearson scheiden aus. Es bleiben fünf, und alle fünf gehören zum Ausschuß, der die Waffenkontrolle behandelt.«
»Gut«, sagte der Direktor. »Das hatte ich erwartet. Wir kommen vorwärts, Mark, aber es bleibt uns wenig Zeit. Nur mehr achtundvierzig Stunden.«
»Ja, Sir.«
Das Telefon schnappte ab.
Mark wartete einen Moment, dann rief er im Woodrow Wilson-Hospital an. Wie
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