Archer Jeffrey
ausgegangen war. Nat war noch nie mit anderen Mädchen ausgegangen und schlimmer noch, er besaß keine Freizeitkleidung, nur ein kariertes Hemd, das er eine halbe Stunde, nachdem er es gekauft hatte, in einer Schublade versteckte. Nat sah nach, wie viel Geld er vom Zeitungsaustragen noch gespart hatte – sieben Dollar und zwanzig Cent –, und fragte sich, ob das reichen würde, um ein neues Hemd und ein paar Freizeithosen zu kaufen. Wenn er doch nur einen älteren Bruder hätte!
Nat beendete seinen Aufsatz nur wenige Stunden, bevor ihn sein Vater nach Simsbury fuhr.
Während sie in Richtung Norden unterwegs waren, fragte sich Nat ständig, warum er Diane nicht noch einmal angerufen und Ort und Zeit ausgemacht hatte, wo sie sich treffen konnten. Möglicherweise war sie zwischenzeitlich fortgefahren – hatte beschlossen, eine Freundin oder gar einen Freund zu besuchen. Ob es Toms Eltern etwas ausmachen würde, wenn er sie gleich bei seiner Ankunft bat, ihr Telefon benützen zu dürfen?
»Oh mein Gott«, rief Nat aus, als sein Vater auf eine lange Auffahrt bog und an einer Koppel voller Pferde vorüberkam. Nats Vater hätte ihn wegen Gotteslästerung gescholten, war aber selbst ein wenig verblüfft. Die Auffahrt zog sich über eine Meile hin, dann führte sie auf ein mit Kies ausgelegtes Rondell, hinter dem eine herrliche Villa im Kolonialstil mit weißen Säulen stand, umgeben von Nadelbäumen.
»Oh mein Gott«, rief Nat ein zweites Mal. Dieses Mal schalt ihn sein Vater.
»Tut mir Leid, Dad, aber Tom hat nie erwähnt, dass er in einem Palast lebt.«
»Warum sollte er auch?«, erwiderte sein Vater. »Etwas anderes hat er ja nie kennen gelernt. Übrigens ist er nicht wegen der Größe seines Elternhauses dein bester Freund, und wenn er das Gefühl gehabt hätte, dich beeindrucken zu müssen, hätte er es schon vor langer Zeit erwähnt. Weißt du, was sein Vater von Beruf ist? Eines ist sicher: er verkauft keine Lebensversicherungen.«
»Ich glaube, er ist Bankier.«
»Tom Russell, natürlich. Russell’s Bank«, rief sein Vater, als sie vor dem Haus vorfuhren.
Tom wartete zur Begrüßung schon am Kopf der Eingangstreppe.
»Guten Tag, Sir. Wie geht es Ihnen?«, fragte er, als er die Tür auf der Fahrerseite öffnete.
»Danke, gut, Tom«, erwiderte Michael Cartwright, während sein Sohn aus dem Wagen stieg und sich dabei an einen kleinen Koffer mit den Initialen M.C. neben dem Schloss klammerte.
»Möchten Sie auf einen Drink hereinkommen, Sir?«
»Das ist sehr nett«, erwiderte Nats Vater, »aber meine Frau erwartet mich rechtzeitig zum Abendessen zurück, darum sollte ich mich besser gleich wieder auf den Weg machen.«
Nat winkte, während sein Vater das Rondell umkreiste und die Rückfahrt nach Cromwell antrat.
Nat sah zum Haus auf und entdeckte einen Butler am Treppenkopf. Dieser bot an, den Koffer zu nehmen, aber Nat klammerte sich fest an ihn. Man führte ihn über eine herrliche, breite Rundtreppe in den ersten Stock und in das Gästezimmer. In Nats Elternhaus gab es nur ein einziges Gästezimmer, das in diesem Haus wohl als Besenkammer durchgegangen wäre. Sobald der Butler sie verlassen hatte, sagte Tom: »Wenn du ausgepackt hast, komm nach unten. Dann lernst du meine Mutter kennen. Wir sind in der Küche.«
Nat setzte sich ans Fußende eines der beiden Betten. Ihm war schmerzlich bewusst, dass er Tom niemals zu sich nach Hause einladen konnte.
Nat brauchte nicht mehr als drei Minuten, um auszupacken, da er nur zwei Hemden, eine Ersatzhose und eine Krawatte mitgebracht hatte. Einen beträchtlichen Zeitraum verbrachte er anschließend mit der Begutachtung des Badezimmers, bevor er schließlich auf das Bett und wieder hinuntersprang. Es federte prächtig. Er wartete noch zwei Minuten, erst dann verließ er das Zimmer, stieg die breite Treppe hinunter und fragte sich, ob er jemals die Küche finden würde. Doch der Butler wartete am Fußende der Treppe und begleitete ihn durch den Flur. Nat blickte verstohlen in jedes Zimmer, an dem sie vorbeikamen.
»Hallo«, begrüßte ihn Tom. »Ist dein Zimmer in Ordnung?«
»Ja, es ist toll.« Nat war klar, dass sein Freund nicht sarkastisch sein wollte.
»Mom, das ist Nat. Er ist der klügste Junge in der Klasse, Gott sei’s geklagt.«
»Bitte fluche nicht, Tom«, mahnte Mrs Russell. »Hallo Nat, es ist schön, dich kennen zu lernen.«
»Guten Abend, Mrs Russell. Es ist auch schön, Sie kennen zu lernen. Sie haben ein wunderschönes Haus.«
»Danke, Nat. Wir freuen uns
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