Archer Jeffrey
wenigstens während des verlängerten Wochenendes bei Tom in Simsbury eine echte Pause gönnen. Und das tat er auch. Nat beschränkte sein Studium auf zwei Stunden am Morgen und zwei weitere Stunden am Nachmittag. Tom war dankbar, dass sein Freund ihn zu derselben Routine zwang, auch wenn er dessen Einladung ablehnte, sich ihm auf seiner täglichen Laufrunde anzuschließen. Es amüsierte Nat, dass er die kompletten fünf Meilen laufen konnte, ohne dabei das Grundstück von Toms Familie verlassen zu müssen.
»Von einer deiner vielen Freundinnen?«, fragte Nat am nächsten Morgen beim Frühstück, als Tom einen Brief aufriss.
»Wenn’s nur so wäre«, erwiderte Tom. »Nein, er ist von Mr Thompson. Er fragt an, ob ich eine Rolle in Was ihr wollt übernehmen möchte.«
»Möchtest du?«, erkundigte sich Nat.
»Nein. Das ist eher deine Welt als meine. Ich bin von Natur aus Produzent, kein Darsteller.«
»Wenn ich mir sicher wäre, von Yale genommen zu werden, hätte ich meinen Namen für eine Rolle eingetragen, aber ich habe meinen freien Aufsatz noch nicht abgeschlossen.«
»Ich habe mit meinem noch nicht einmal angefangen«, gab Tom zu.
»Für welches der fünf Themen hast du dich entschieden?«, fragte Nat.
»Die Kontrolle über den unteren Mississippi während des Bürgerkrieges«, antwortete Tom. »Und du?«
»Clarence Darrow und sein Einfluss auf die Gewerkschaftsbewegung.«
»Ja, Mr Darrow habe ich auch in Betracht gezogen, aber ich war mir nicht sicher, ob ich tatsächlich fünftausend Wörter zu diesem Thema zusammenbringe. Zweifelsohne hast du bereits zehntausend verfasst.«
»Nein, aber mein erster Entwurf ist so gut wie fertig und bis zu unserer Rückkehr im Januar sollte ich die endgültige Version fertig haben.«
»Der Abgabetermin für Yale ist erst im Februar; du solltest dir wirklich überlegen, ob du nicht eine Rolle im Schulstück übernehmen möchtest. Nimm wenigstens am Vorsprechen teil. Schließlich muss es nicht gleich eine Hauptrolle sein.«
Nat dachte über den Vorschlag seines Freundes nach, während er seinen Toast mit Butter bestrich. Tom hatte natürlich Recht, aber Nat hielt das Ganze nur für eine Ablenkung, wo er doch auf ein Stipendium für Yale hoffte. Er blickte aus dem Fenster auf die Landschaft und fragte sich, wie es war, Eltern zu haben, die nicht über Studiengebühren nachdenken mussten, über Taschengeld und ob er während der Sommerferien einen Ferienjob ergattern könnte.
*
»Möchten Sie für eine bestimmte Rolle vorsprechen, Nat?«, fragte Mr Thompson und sah zu dem einen Meter achtzig großen Jungen mit der schwarzen Haarmähne auf, dessen Hosenbeine anscheinend immer ein paar Zentimeter zu kurz waren.
»Für Antonio. Vielleicht auch Orsino«, erwiderte Nat.
»Sie sind der geborene Orsino«, meinte Mr Thompson, »aber für diese Rolle habe ich schon Ihren Freund Tom Russell vorgesehen.«
»Malvolio bin ich ganz sicher nicht«, entgegnete Nat lachend. »Nein, Elliot wäre meine erste Wahl für den Malvolio.« Mr
Thompson lächelte bitter. Wie so viele andere in Taft wünschte sich Mr Thompson, Nat wäre Präsident der Schülermitverwaltung geworden. »Leider steht er nicht zur Verfügung. Sie hingegen eignen sich am besten für die Rolle des Sebastian.«
Nat wollte protestieren, musste aber zugeben, dass er beim ersten Durchlesen des Stückes gerade diese Rolle für eine echte Herausforderung gehalten hatte. Doch allein die Länge des Textes würde viele Stunden des Lernens erfordern, ganz zu schweigen von der Probezeit. Mr Thompson spürte Nats Vorbehalte. »Ich glaube, es ist an der Zeit für etwas Bestechung, Nat.«
»Bestechung, Sir?«
»Ja, mein Junge. Wissen Sie, der Zulassungsleiter von Yale ist
einer meiner ältesten Freunde. Wir haben zusammen die
Klassiker in Princeton studiert und er verbringt jedes Jahr ein Wochenende bei mir. Ich denke, ich werde ihn für das Wochenende unserer Schulaufführung einladen.« Er schwieg kurz. »Aha, ich sehe, Bestechung reicht bei jemandem mit Ihren hohen moralischen Ansprüchen nicht aus. So werde ich mich also zur Korruption herablassen müssen.«
»Korruption, Sir?«
»Ja, Nat, Korruption. Ihnen ist doch sicher aufgefallen, dass es im Stück drei weibliche Rollen gibt – die hübsche Olivia, Sebastians Zwillingsschwester Viola und die lebhafte Maria.
Ganz zu schweigen von den Zweitbesetzungen und den Dienerinnen. Wir wollen auch nicht vergessen, dass sie sich alle in Sebastian verlieben.« Nat sagte immer noch
Weitere Kostenlose Bücher