Archer Jeffrey
Sie mir sagen können, ob ich gut genug bin.«
»Sollen wir ein Rennen daraus machen?« sagte er völlig überraschend, gerade, als ich begann, mir meine Skier anzuschnallen. Ich konnte mich nicht beklagen; all die Bücher über Morde hatten mich gewarnt, ich müsse auf das Unerwartete gefaßt sein. »Das wäre eine Möglichkeit, zu erfahren, ob Sie wirklich so weit sind.«, fügte er überlegen hinzu.
»Wenn Sie darauf bestehen. Aber vergessen Sie nicht, ich bin älter als Sie und weniger erfahren«, erinnerte ich ihn. Ich überprüfte schnell noch einmal meine Skier, denn ich wußte, ich mußte vor ihm starten.
»Aber Sie kennen die B-Abfahrt wie Ihre Westentasche«, erwiderte er. »Ich dagegen habe sie noch nie gesehen.«
»Ich bin mit einem Rennen einverstanden, aber nur, wenn es eine Belohnung für den Sieger gibt«, entgegnete ich.
Zum erstenmal konnte ich sehen, daß ich sein Interesse geweckt hatte. »Wieviel soll es sein?« fragte er.
»Oh, ich denke nicht an so Vulgäres wie Geld«, sagte ich. »Der Gewinner darf Caroline die Wahrheit erzählen.«
»Die Wahrheit?« sagte er verdutzt.
»Ja«, antwortete ich und startete blitzschnell, bevor er reagieren konnte. Ich hatte einen guten Vorsprung vor ihm, als ich um die roten Fähnchen fuhr, doch als ich über die Schulter zurückblickte, konnte ich sehen, daß er sich schnell von seinem Schreck erholt hatte und mich bereits in jagendem Tempo verfolgte. Es war mir klar, daß es von entscheidender Bedeutung war, daß ich meinen Vorsprung während des ersten Drittels der Strecke hielt, doch ich spürte bereits, wie sich der Abstand zwischen uns verringerte.
Nach etwa dreihundert Metern auf der kurvigen Piste rief er: »Sie werden viel schneller fahren müssen, wenn Sie mich schlagen wollen.« Seine arrogante Prahlerei trieb mich nur noch mehr an, meinen Vorsprung zu halten, aber das war mir nur durch den Vorteil möglich, den ich hatte, weil ich jede Biegung und Wendung genau kannte. Sobald mir sicher war, daß ich die entscheidende, neu abgesteckte Route vor ihm erreichen würde, fing ich an, mich zu entspannen. Schließlich hatte ich die nächsten zweihundert Meter während der letzten zehn Tage fünfzigmal durchfahren. Doch nur auf dieses eine Mal jetzt kam es an, das war mir durchaus bewußt.
Ich warf einen flüchtigen Blick über die Schulter zurück und sah, daß er jetzt nur noch dreißig Meter hinter mir war. Als wir uns der präparierten, vereisten Strecke näherten, verringerte ich langsam mein Tempo und hoffte, er würde nichts merken und auch nicht glauben, ich hätte die Nerven verloren. Ich fuhr noch langsamer, als ich das obere Ende der präparierten Strecke erreichte, bis ich ihn fast schon atmen hören konnte. Dann machte ich ziemlich plötzlich, kurz bevor ich das eisige Stück erreichte, einen Schneepflug und kam in dem Schneehügel, den ich in der vorherigen Nacht gebaut hatte, zu völligem Stillstand. Travers sauste mit ungefähr sechzig Stundenkilometer an mir vorbei und segelte Sekunden später mit einem Schrei, den ich nie vergessen werde, hoch über der Schlucht. Ich konnte mich nicht überwinden, über den Rand des Abgrunds zu sehen, denn ich wußte, er mußte sich beim Aufprall im Schnee ungefähr dreißig Meter tiefer sämtliche Knochen im Leib gebrochen haben.
Vorsichtig ebnete ich den Schneehügel, der mir das Leben gerettet hatte, ein und kletterte dann, so schnell ich konnte, den Berg wieder hinauf, wobei ich die dreißig Fähnchen einsammelte, die die Wegweiser zu meiner irreführenden Route gewesen waren. Dann fuhr ich auf der richtigen B-Abfahrt hinunter und steckte sie wieder in ihre korrekten Positionen, ungefähr einhundert Meter oberhalb meiner sorgfältig vorbereiteten Eisstrecke, zurück. Als jedes Fähnchen wieder da stand, wo es hingehörte, fuhr ich weiter talwärts und fühlte mich wie ein Olympiasieger. Als ich unten ankam, zog ich mir die Kapuze über den Kopf und behielt meine Schneebrille auf. Ich schnallte die Skier ab und ging lockeren Schrittes zum Hotel. Durch die Hintertür betrat ich das Gebäude und lag um sieben Uhr vierzig wieder im Bett.
Ich versuchte, meinen schnell gehenden Atem unter Kontrolle zu halten, aber mein Pulsschlag normalisierte sich erst nach einer ganzen Weile. Caroline wachte ein paar Minuten später auf, drehte sich herum und nahm mich in ihre Arme.
»Oh«, sagte sie, »du bist ja ganz erfroren. Hast du nicht unter der Decke geschlafen?«
Ich lachte. »Du mußt sie mir während der Nacht
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