Archer Jeffrey
zuzugehen, während der andere reglos stehenblieb. Adam wußte, daß er keine Chance haue, ihnen noch einmal zu entkommen. Da kniete er nun und verwünschte seine eigene Dummheit. Sie würden ihn binnen Sekunden deutlich sehen können.
»Vergeuden wir keine kostbare Zeit mehr, Marvin! Wir wissen doch schon, daß der Scheißtommy auf dem Weg zurück nach Paris ist.«
»Ich dachte nur, daß er vielleicht …« setzte der Mann namens Marvin im gedehnten Dialekt des amerikanischen Südens an.
»Überlaß das Denken mir! Zurück zum Hubschrauber, bevor wir ihn aus den Augen verlieren!«
Marvin war höchstens zwanzig Meter von Adam entfernt, als er plötzlich stehen blieb, sich umdrehte und zurücklief. Adam verharrte einige Minuten wie angewurzelt auf seinem Platz. Kalter Schweiß brach ihm aus den Poren. Diesmal war nicht Romanow sein Verfolger. Hätte ihn nicht einer der beiden »Scheißtommy« genannt, wäre er ihnen freudestrahlend in die Arme geeilt. Der Unterschied zwischen Phantasie und Wirklichkeit kam ihm plötzlich äußerst schmerzhaft zu Bewußtsein: Er war im Stich gelassen worden. Er hatte keine Freunde mehr.
Adam rührte sich erst wieder, als er den Hubschrauber abheben hörte. Er sah vorsichtig hinaus und erblickte vor der gewölbten Öffnung der Unterführung die Umrisse des Helikopters mit den Amerikanern; er flog bereits Richtung Paris. Dann endlich taumelte Adam ins Freie und legte die Hand über die Augen. Das Sonnenlicht kam ihm viel greller vor als noch vor wenigen Minuten. Was nun? Um die Fähre zu erreichen, blieb ihm weniger als eine Stunde. Aber er hatte kein Fahrzeug mehr. Adam fragte sich, ob er einen Wagen anhalten oder sich nach einer Bushaltestelle umsehen sollte. Vielleicht war es am besten, so weit wie möglich von der Hauptstraße wegzukommen. Sein Blick wanderte ständig zum Himmel. Wie lange würde es dauern, bis die Amerikaner den Citroen einholten und feststellten, daß er nicht drinnen saß?
Wieder fuhren die Radrennfahrer an ihm vorbei. Langsam joggte Adam in Richtung Boulogne. Er lief locker und brachte sogar die Kraft auf, die englischen Teilnehmer anzufeuern. Der britische Teambus folgte dicht hinter ihnen. Adam gab durch Zeichen zu verstehen, daß er mitgenommen werden wollte. Zu seiner Überraschung blieb der Bus tatsächlich vor ihm stehen.
Der Fahrer kurbelte das Fenster herunter. »Sind Sie nicht der Typ, der mich hinter Abbeville angehalten hat?«
»Stimmt!« sagte Adam. »Hat sich euer Mann erholt?«
»Nein, er liegt hinten im Wagen – Bänderzerrung. Was ist mit Ihrem Wagen passiert?«
»Der hat vor etwa anderthalb Kilometern den Geist aufgegeben«, erwiderte Adam und zuckte gleichmütig die Achseln.
»So ein Pech! Soll ich Sie mitnehmen? Wir fahren auf dieser Etappe zwar nur bis Boulogne, aber wenn Ihnen das hilft, springen Sie rein!«
»Danke«, sagte Adam mit der Erleichterung, die vermutlich ein vergammelter Beatnik empfinden mußte, der endlich von jemandem aufgelesen wurde. Der Fahrer lehnte sich hinüber und stieß den Wagenschlag auf.
Bevor Adam in den Bus kletterte, schirmte er die Augen mit der Hand ab und blickte nochmals zum Himmel hinauf. Der Hubschrauber war nirgends zu sehen. Aber Adam wußte genau, daß er nur allzubald zurückkehren würde. Die Amerikaner würden rasch daraufkommen, wo es Adam gelungen war, sie an der Nase herumzuführen …
»Ich heiße Bob«, sagte der Fahrer im Trainingsanzug und streckte Adam die freie Hand entgegen. »Ich bin der britische Teamchef.«
»Und ich heiße Adam.« Er schüttelte ihm herzlich die Hand.
»Wohin sind Sie unterwegs?«
»Nach Boulogne«, antwortete Adam. »Mit ein wenig Glück erreiche ich noch die Drei-Uhr-Fähre.«
»Wir dürften ungefähr um halb drei dort sein«, erwiderte Bob.
»Das heißt – wir müssen! Die Nachmittagsetappe beginnt nämlich um drei.«
»Wird der Mann auch fahren können?« fragte Adam und deutete über die Schulter.
»Nein, für den ist das Rennen vorbei«, antwortete der Teamchef. »Er hat sich ein Band hinten am Bein gezerrt. Es dauert Wochen, bis solche Verletzungen völlig ausgeheilt sind. Ich muß ihn in Boulogne zurücklassen und die letzte Etappe selbst fahren. Sie können nicht zufällig radfahren?« erkundigte sich Bob.
»Nein«, antwortete Adam. »Ich laufe ein wenig, aber mit Rädern habe ich nicht mehr viel zu tun, seit es meiner Schwester gelang, das Familienrad zu Schrott zu fahren.«
»Wir haben noch Chancen auf die Bronzemedaille«, meinte Bob, als sie wieder einmal
Weitere Kostenlose Bücher