Archer Jeffrey
neben ihr. Sie warf ihm einen Seitenblick zu, der ihre Verwunderung über seine formelle Kleidung offen ausdrückte.
Als sie die Zeitschrift beiseitelegte, fragte er zögernd: »Entschuldigen Sie, aber könnten Sie mir vielleicht helfen?«
»Inwiefern?« Das Mädchen schien ein wenig ängstlich.
»Ich hätte nur gern etwas übersetzt.«
Sie wirkte erleichtert. »Ich will gern helfen, wenn’s geht. Haben Sie den Text da?«
»Hoffentlich ist es nicht schwierig«, meinte Adam, während er den Briefumschlag aus der Tasche zog, den ersten Absatz von Görings Brief herausnahm, das Kuvert wieder einsteckte, ein kleines Notizbuch aufschlug und das Mädchen erwartungsvoll anblickte. Er kam sich vor wie ein unerfahrener junger Reporter.
Sie las den Absatz zwei-, dreimal durch und schien zu zögern.
»Ist etwas nicht in Ordnung?«
»Es ist nur ein bißchen altmodisch«, erwiderte sie und konzentrierte sich angestrengt auf das Schriftstück. »Ich weiß nicht, ob ich’s Wort für Wort genau hinkriege.«
Adam atmete sichtlich auf.
Sie las Satz für Satz vor, zuerst auf deutsch und dann in englischer Übersetzung, so langsam, als habe sie Mühe, die einzelnen Wörter in ihrer Bedeutung zu erfassen.
»›Im Laufe … des vergangenen Jahres … haben wir … einander … sehr gut …‹ nein, nein«, korrigierte sie sich, »es muß heißen: ›recht gut kennengelernt.‹« Adam schrieb jedes Wort nieder.
»›Sie haben nie verborgen …‹ nein, besser wäre vielleicht: ›Sie haben nie ein Hehl aus Ihrer Abneigung gegen die Nationalsozialistische Partei gemacht.‹« Das Mädchen hob den Kopf und sah Adam verwirrt an.
»Der Text stammt aus einem Buch«, versicherte er, was sie nicht sonderlich zu überzeugen schien, aber sie fuhr fort: › »Dennoch sind Sie mir immer …‹ nein: ›jederzeit mit der Höflichkeit eines Offiziers und Gentleman begegnet.‹«
Damit brach der Text auf dem Stück Papier ab, was das Mädchen völlig perplex machte.
»Soll das alles sein?« fragte sie. »Das ergibt doch keinen Sinn. Da muß doch noch etwas folgen.«
»Nein, das ist alles«, erwiderte Adam und nahm ihr das Stückchen Papier rasch aus der Hand. »Vielen Dank«, fügte er hinzu.
»Es war sehr liebenswürdig von Ihnen, mir zu helfen.«
Er verabschiedete sich und war erleichtert, daß sie nur resigniert die Achseln zuckte und sich wieder ihrem Time Magazin zuwandte. Er machte sich auf die Suche nach dem Spielzimmer, wo ihm gleich ein Junge in einer kurzen braunen Lederhose und einem T-Shirt mit der Aufschrift World Cup auffiel, der ziemlich lustlos einen Tischtennisball auf der Platte hüpfen ließ.
»Machen Sie ein Spiel mit mir?« fragte der Junge, allerdings ohne große Hoffnung.
»Aber sicher«, sagte Adam, zog das Jackett aus und griff nach dem Tischtennisschläger auf seiner Seite des Tisches. Zwanzig Minuten lang mußte er sich gewaltig anstrengen, um so schlecht zu spielen, daß er am Ende 18:21, 21:12, 17:21 verloren hatte. Als er wieder in sein Jackett schlüpfte und seinem Gegner gratulierte, war er fast überzeugt, das Vertrauen des jungen Mannes gewonnen zu haben.
»Ein famoses Match«, sagte der Deutsche. »Sie sind ein guter Spieler.«
Adam trat zu ihm hinüber. »Dürfte ich Sie wohl um einen Gefallen bitten?«
»Hat’s mit Ihrer Rückhand zu tun?« fragte der junge Mann.
»Nein, nein«, erwiderte Adam. »Ich hätte nur gerne einen kurzen Absatz vom Deutschen ins Englische übersetzt.« Er reichte ihm den Mittelteil des Briefes. Aber auch diesmal schaute der Übersetzer bald verloren drein.
»Es ist aus einem Buch und wirkt daher vielleicht ein wenig aus dem Zusammenhang gerissen«, erläuterte Adam ohne große Überzeugungskraft.
»Also gut, ich will’s versuchen.« Der junge Mann betrachtete den Text, als das junge Mädchen, das den ersten Teil übersetzt hatte, ins Spielzimmer trat und direkt auf die beiden zuging.
»Ich bin kein guter Übersetzer. Und der Text ist schwer«, erklärte der junge Mann. »Meine Bekannte könnte das sicher besser, ich werde sie mal fragen.«
»Kannst du das hier bitte für den Herrn ins Englische übersetzen?« wandte er sich an sie und reichte ihr, ohne Adam anzusehen, den Zettel, worauf das Mädchen ausrief: »Ich hab doch gewußt, daß es nicht der ganze Text gewesen sein konnte!«
»Bitte bemühen Sie sich nicht«, unterbrach Adam und nahm den Zettel an sich. »Danke für das Spiel«, sagte er zum Jungen.
»Tut mir leid, daß ich Sie gestört habe.« Und er eilte nach
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