Archer Jeffrey
doch hierbleiben«, fügte sie hinzu und hakte sich bei ihm unter. Als sie so im Mittelgang des Flugzeugs standen und auf das Aussteigen warteten, beugte sich Adam zu ihr und küßte sie sanft auf die Wange. Ein leichter Sprühregen fiel auf die Gangway. Adam knöpfte seinen Regenmantel auf und versuchte, ihn schützend über Heidi zu halten, dann liefen sie über die Rollbahn zur Ankunftshalle.
»Wie gut, daß ich daran gedacht habe, den Mantel mitzunehmen«, sagte er.
»Der sieht ja mehr nach einem Zelt als nach einem Mantel aus!« rief Heidi belustigt.
»Das ist mein alter Militärregenmantel«, erklärte er ihr, während er das gute Stück noch einmal auseinanderschlug. »Hat Platz für Landkarten, Kompasse, ja sogar für eine ganze Biwakausrüstung.«
»Adam, wir sind weder im Schwarzwald noch ist es Winter! Wir wollen doch nur ein wenig in Genf umherspazieren, und das mitten im Sommer!«
Er lachte. »Ich werde dich an diese Worte erinnern, wenn es zu gießen beginnt.«
Der Bus, der zwischen Flughafen und Stadt verkehrte, benötigte nur zwanzig Minuten bis ins Zentrum von Genf.
Die Fahrt führte sie zunächst durch die Randgebiete der Stadt, dann gelangten sie an den prachtvollen, spiegelglatten See, den die Berge umranden. Der Bus fuhr am Ufer entlang; gegenüber der mächtigen Fontäne, deren Strahl mehr als hundertzwanzig Meter emporschießt, blieb Adam stehen.
»Ich fühle mich wie auf einem Tagesausflug«, sagte Heidi, als sie aus dem Fahrzeug stiegen. Zu ihrer Erleichterung hatte der Nieselregen aufgehört.
Sie wanderten über den breiten, blankgefegten Gehsteig, der am Seeufer entlangführte, und es fiel ihnen sofort auf, wie sauber diese Stadt war. Auf der anderen Seite der Straße befanden sich vorwiegend adrette Hotels, Geschäfte und Banken.
»Zunächst müssen wir herausfinden, wo unsere Bank ist«, erklärte Adam, »damit wir irgendwo in der Nähe zu Mittag essen können. Und dann holen wir unsere Beute ab.«
»Und wie packt ein guter Soldat eine derart anspruchsvolle Aufgabe an?« erkundigte sich Heidi.
»Ganz einfach! Wir statten der nächstbesten Bank einen kurzen Besuch ab und fragen dort nach dem schnellsten Weg zu Roget et Cie.«
»Ich wette, daß dein kleines Ärmchen über und über mit Spezialabzeichen bedeckt war, als du mit den Pfadfindern England erobert hast.«
Adam brach in lautes Gelächter aus. »Bin ich wirklich so arg?«
»Viel ärger! Aber du bist außerdem die Verkörperung des perfekten englischen Gentleman, so wie ihn sich jedes deutsche Mädchen vorstellt.«
Adam wandte sich um, strich ihr sanft über das Haar, beugte sich zu ihr und küßte sie auf den Mund.
Heidi merkte plötzlich, wie sie von Passanten angestarrt wurden.
»Ich glaube nicht, daß die Schweizer von Küssen in aller Öffentlichkeit begeistert sind«, meinte sie. »Ja, ich hab’ sogar einmal gehört, daß manche von ihnen es nicht einmal im Privaten schätzen.«
»Soll ich die alte Schachtel dort drüben küssen, die noch immer zu uns herglotzt?« fragte Adam.
»Bloß nicht, Adam! Am Ende verwandelt sie dich in einen Frosch. Nein, wir sollten lieber deinen Schlachtplan in die Tat umsetzen«, fügte sie hinzu und wies auf die Banque Populaire auf der anderen Seite der Promenade.
Sie überquerten die Straße, und Heidi fragte den Türsteher der Bank nach dem Weg zu Roget et Cie. Sie folgten seinen Angaben und bewunderten noch einmal die großartige Fontäne, welche ihren mächtigen Strahl zum Himmel emporsandte, bevor sie ihren Weg ins Stadtzentrum fortsetzten.
Es war gar nicht so einfach, Roget et Cie. gleich zu finden, und erst nachdem sie schon zweimal daran vorbeigelaufen waren, entdeckte Heidi das diskrete, in Stein gemeißelte Schild neben einem hohen Tor aus Schmiedeeisen und Spiegelglas.
»Sieht eindrucksvoll aus«, murmelte Adam.
»Was hast du denn erwartet – eine kleine Provinzfiliale etwa? Ich weiß, ihr Engländer hört das nicht gerne – aber hier ist nun mal das Zentrum der Bankwelt.«
»Sehen wir lieber zu, daß wir ein Restaurant finden, bevor unsere Entente cordiale in Brüche geht«, erwiderte Adam. Sie liefen denselben Weg bis zur Fontäne zurück, und da die Sonne sich zwischen den Wolken hervorstahl, entschieden sie sich für ein Straßencafe mit Blick auf den See. Sie bestellten Käsesalat und teilten sich eine halbe Flasche Weißwein. Adam genoß Heidis Gesellschaft so sehr, daß er anfing, ihr Geschichten aus seiner Militärzeit zu erzählen. Sie mußte ihn schließlich unterbrechen,
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