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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Mann von Ehre
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beiden Autos an. Er nahm alle Kraft zusammen, um den Mann, der immer noch lief, einzuholen; er rannte, so rasch er konnte, aber der Trenchcoat behinderte ihn, und als Adam die Anhöhe erreichte, war der Mörder gut hundert Meter vor ihm und bahnte sich durch die Hauptverkehrsstraße im Zickzack seinen Weg. Adam versuchte es mit längeren Schritten, mußte aber zusehen, wie der Mann auf eine vorbeifahrende Straßenbahn aufsprang. Adam war viel zu weit hinter ihm, als daß er ihn hätte noch erreichen können; tatenlos mußte er zusehen, wie die Straßenbahn sich entfernte.
    Der Mann stand auf dem Trittbrett und blickte auf Adam zurück. Mit einer Hand hielt er herausfordernd die Plastiktüte hoch. Sein Rücken war nicht mehr gekrümmt, die Gestalt nicht mehr schwach und gebrechlich, und selbst aus der Entfernung konnte Adam den Triumpf in der Haltung des Mannes erkennen. Er selbst stand ein paar Sekunden lang mitten auf der Straße und sah hilflos der Straßenbahn nach, bis sie seinem Blickfeld entschwand.
    Adam versuchte, seine Gedanken zu ordnen; er wußte, daß es wenig Hoffnung gab, jetzt, in der Hauptverkehrszeit, ein Taxi zu bekommen. Hinter ihm ertönten Sirenen, vermutlich von Krankenwagen, wie er glaubte, die so rasch als möglich zur Unfallstelle gelangen wollten. Unfall! sagte Adam zu sich. Sie werden bald draufkommen, daß es Mord war. Er bemühte sich, die wahnwitzigen Ereignisse der letzten halben Stunde in seinem Gehirn zu sammeln: Nichts ergab einen Sinn. Gewiß würde er bald zur Erkenntnis kommen, daß alles nur ein Mißverständnis war … Dann faßte er seitlich an seinen Mantel und tastete nach dem Päckchen, in dem sich die Zaren-Ikone befand. Der Mörder hatte dies doch alles nicht wegen lumpiger zwanzigtausend Pfund inszeniert und zwei unschuldige Menschen umgebracht, die ihm zufällig über den Weg gelaufen waren. Warum? Warum war die Ikone so wichtig? Wie hatte der Experte von Sotheby’s nur gesagt? »Ein Herr aus Rußland hat sich nach dem Bild erkundigt …« In Adams Kopf begann sich alles zu drehen. Wenn dieser Herr tatsächlich Emmanuel Rosenbaum gewesen war, wenn er tatsächlich wegen dieser Ikone zwei Morde begangen hatte –, dann war ihm schlußendlich nichts in die Hände gefallen als ein großer Karton mit Schweizer Likörpralinen.
    Adam hörte Trillerpfeifen hinter sich. Er war erleichtert, daß Hilfe nahte, doch als er sich umwandte, erblickte er zwei Polizisten, die ihre Pistolen auf ihn gerichtet hatten. Instinktiv begann er schneller zu laufen, und während er über die Schulter zurücksah, stellte er fest, daß nun eine ganze Meute von Polizeibeamten seine Verfolgung aufgenommen hatte. Er lief rascher und rascher; er bezweifelte, daß auch nur einer der Schweizer Sicherheitsleute das Tempo, das er ihnen trotz des hinderlichen Regenmantels vorlegte, länger als einen halben Kilometer mithalten konnte. Dann erreichte Adam ein Seitengäßchen, rannte hinein und steigerte seine Geschwindigkeit noch. Die Gasse war schmal – so schmal, daß darin nicht einmal zwei Fahrräder aneinander vorbeikommen konnten. Sobald Adam am anderen Ende des Gäßchens angelangt war, steuerte er auf eine Einbahnstraße zu. Sie war völlig verstopft von Autos, und er konnte sich rasch und gefahrlos durch die langsam dahinrollende Kolonne der entgegenkommenden Fahrzeuge schlängeln.
    Nach wenigen Minuten hatte Adam seine Verfolger abgeschüttelt, aber er rannte trotzdem weiter, ständig die Richtung wechselnd, bis er glaubte, wenigstens drei Kilometer zurückgelegt zu haben. Schließlich bog er in eine wenig belebte Straße ein, und als er sie ungefähr bis zur Hälfte durchlaufen hatte, leuchtete ihm ein Neonschild entgegen, welches ein »Hotel Monarche« anpries. Das Gebäude sah eher nach einer einfachen Pension aus; die Bezeichnung »Hotel« war gewiß übertrieben. Adam blieb im Schatten der Häuser stehen, wartete und holte tief Luft. Nach etwa drei Minuten ging sein Atem wieder ruhig, er schritt geradewegs in das Hotel.
11
    Er stand nackt vor dem Spiegel des Hotelzimmers und betrachtete das Abbild Emmanuel Rosenbaums. Was er sah, gefiel ihm gar nicht. Als erstes nahm er das Gebiß heraus; anschließend klappte er seinen Mund ein paarmal auf und zu: Man hatte ihn gewarnt, daß sein Zahnfleisch noch tagelang schmerzen würde. Danach löste er die große Knollennase sorgfältig Schicht um Schicht ab, voller Bewunderung für die Geschicklichkeit und Kunstfertigkeit dessen, der eine derartige

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