Archer Jeffrey
Monstrosität geschaffen hatte. Die Nase würde viel zu auffällig sein, hatte er sich beschwert. Dafür würde sich niemand an anderes erinnern können, hatten die Fachleute erwidert.
Als die letzte Schicht entfernt war, wirkte die aristokratische Nase, die darunter zum Vorschein kam, in der Mitte eines solchen Gesichts geradezu lächerlich. Er begann die zerfurchte Stirn zu bearbeiten; sie bewegte sich sogar mit, wenn er die Augenbrauen hochzog. Mit den Falten schwanden auch die Jahre. Als nächstes kamen die schlaffen roten Wangen an die Reihe, und zum Schluß beseitigte er das Doppelkinn. Der Schweizer Bankier wäre höchst erstaunt gewesen, hätte er gesehen, wie mühelos sich die unauslöschliche Nummer an der Innenseite des Armes durch kräftiges Reiben mit einem Bimsstein entfernen ließ. Noch einmal prüfte er eingehend sein Spiegelbild. Mit dem kurzgeschnittenen Haar, das scheinbar allmählich ergraute, würde die Natur wohl länger zu tun haben
– als man es ihm geschoren und das dicke, schlammartige Gebräu über die gesamte Kopfhaut geschmiert hatte, ahnte er, wie jemandem zumute sein mußte, der geteert und gefedert wurde. Augenblicke später stand er unter der warmen Dusche und rieb das Haar bis zu den Wurzeln gründlich mit den Fingern durch. Schwarzes, klebriges Wasser lief ihm wie Sirup über Gesicht und Körper und verschwand schließlich im Abfluß. Es brauchte eine halbe Flasche Schampun, bis das Haar wieder seine natürliche Farbe angenommen hatte, aber es wurde ihm klar, daß es um einiges länger dauern würde, bis er mit seinem kurzgeschnittenen Haar nicht mehr wie ein Sergeant der US-Marine aussah.
In einer Ecke des Zimmers lagen der lange, ausgebeulte Mantel, der abgetragene, formlose Anzug, der schwarze Schlips, das abgetragene, nicht mehr ganz weiße Hemd, die Wollfäustlinge und der israelische Paß: Stunden der Vorbereitung, abgetan in wenigen Minuten. Mit Wonne hätte er alles verbrannt, statt dessen ließ er die Sachen auf einem Haufen liegen. Er kehrte ins Zimmer zurück, streckte sich auf dem Bett aus und gähnte wie eine Katze. Ihm schmerzte der Rücken von all dem Bücken und Krümmen. Er stand daher wieder auf, beugte den Rumpf, griff nach den Zehen und warf die Arme hoch über den Kopf. Er wiederholte die Übung fünfzigmal, ruhte sich eine Minute aus und absolvierte noch fünfzig Liegestütze.
Hierauf ging er erneut ins Badezimmer und duschte noch einmal – diesmal kalt. Allmählich begann er sich wieder wie ein menschliches Wesen zu fühlen. Erleichtert zog er schließlich ein frisch gebügeltes, cremefarbenes Seidenhemd und einen neuen doppelreihigen Anzug an.
Bevor er seine Anrufe tätigte – einen nach London, zwei nach Moskau –, bestellte er sich das Abendessen aufs Zimmer; er hatte keine Lust zu erklären, wieso der Mann, der sich an der Rezeption angemeldet hatte, um dreißig Jahre älter war als jener, der jetzt allein in seinem Zimmer aß. Wie ein hungriges Tier riß er an seinem Steak, verschlang es und stürzte den Wein hinunter.
Lange starrte er die bunte Plastiktüte an, aber er verspürte nicht den geringsten Wunsch, sein Mahl mit Schweizer Likörpralinen zu beschließen. Und wieder stieg die Wut in ihm hoch bei dem Gedanken, daß der Engländer ihn übertölpelt hatte.
Dann blieb sein Blick an dem kleinen Lederkoffer haften, der neben dem Bett auf dem Boden lag. Er öffnete ihn und nahm die Kopie der Ikone heraus, die er auf Zaborskis Wunsch immer bei sich trug, damit jeder Zweifel ausgeschlossen war, sobald er auf das Original des heiligen Georg mit dem Drachen stieß.
Kurz nach elf schaltete er den Fernseher ein uns sah sich die Spätnachrichten an. Offensichtlich stand noch kein Foto des Verdächtigen zur Verfügung, wohl aber ein Bild dieses vertrottelten Taxifahrers, der so langsam gefahren war, daß es ihm das Leben kosten mußte, diesem Idioten; und ein Foto der hübschen kleinen Deutschen, die versucht hatte, sich zu wehren. Es war wirklich rührend gewesen – ein einziger harter, sauberer Schlag, und ihr Hals war gebrochen. Der Fernsehsprecher berichtete, daß die Polizei nach einem Engländer sucht, dessen Namen nicht bekannt sei. Romanow lächelte bei dem Gedanken, daß die Polizei überall nach Scott fahndete, während er selbst in einem Luxushotel saß und ein Steak verzehrte. Im Gegensatz zur Schweizer Polizei benötigte Romanow keine Fotografie des Mörders. Der Mann hatte ein Gesicht, das er nie vergessen würde. Und außerdem hatte
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