Archer Jeffrey
Zahnbürste, Zahnpasta sowie einen Wegwerfrasierer.
Er hatte sich eben rasiert, als er ein Klopfen an der Tür hörte. Jemand rief: »Room Service!« Blitzschnell seifte Adam sein Gesicht von neuem ein und zog den vom Hotel bereitgestellten Morgenmantel an, bevor er öffnete. Der Kellner deckte den Tisch, ohne Adam sonderlich zu beachten. Als er fertig war, sagte er: »Würden Sie bitte die Rechnung unterschreiben, Sir?«
Er reichte ihm einen Zettel, den Adam mit »Robin Beresford« unterzeichnete; dann legte er fünfzehn Prozent des Betrages als Trinkgeld dazu.
»Danke sehr«, sagte der Kellner und verließ das Zimmer. Adam stürzte sich auf das Essen: Zwiebelsuppe, Rumpsteak mit grünen Bohnen und Kartoffeln und zum Abschluß Himbeersorbet. Eine Flasche Wein, Hausmarke, stand entkorkt daneben; Adam mußte ihn nur mehr einschenken. Aber plötzlich war er gar nicht mehr so hungrig.
Er konnte sich mit den Ereignissen der letzten Zeit noch immer nicht abfinden. Hätte er Heidi doch nicht gedrängt, ihn auf dieser unsinnigen Reise zu begleiten! Vor einer Woche noch hatte sie von seiner Existenz keine Ahnung gehabt – und jetzt war er an ihrem Tod schuld. Er würde ihren Eltern erklären müssen, welch entsetzliches Schicksal ihrer einzigen Tochter zugestoßen war. Aber erst einmal mußte er für sich selbst eine Erklärung für all die Dinge finden, die er im Augenblick nicht einmal ansatzweise begriff. Am allerwenigsten war ihm klar, was es mit dieser unbedeutenden Ikone auf sich hatte. Unbedeutend?
Nach der Mahlzeit rollte er den Servierwagen in den Korridor, hängte das Schild mit der Aufschrift »Bitte nicht stören« an die Tür und stellte sich im Zimmer ans Fenster, um auf die Straße hinunter zu schauen. Die Sonne stand so hoch, als hätte sie für Genf eine Stunde mehr eingeplant. Adam legte sich auf das Bett und ließ in Gedanken die Ereignisse der letzten vierundzwanzig Stunden an sich vorüberziehen.
»Antarktis ist im Besitz einer Ikone, die den heiligen Georg mit dem Drachen darstellt. Aus unseren alten Akten geht jedoch hervor, daß genau diese Ikone vernichtet wurde, als das Flugzeug des Großherzogs von Hessen im Jahre 1937 über Belgien abgestürzt ist.«
»Was in Ihren Akten steht, mag ja durchaus stimmen!« erwiderte der Mann am anderen Ende der Leitung. »Was aber, wenn sich herausstellt, daß die Information, die Sie da in Langley haben, falsch ist und Göring die Ikone zwar gefunden, dem Großherzog jedoch nicht zurückgegeben hat?«
»Stalin hat aber in Jalta bestätigt, daß die Ikone samt Inhalt bei dem Flugzeugabsturz vernichtet wurde. Er erklärte sich bereit, nicht gegen den Vertrag zu protestieren, solange er nicht im Besitz des Originaldokuments sei. Das war ja auch der Grund, weshalb Roosevelt damals anscheinend so wenig, Stalin hingegen so viel in Jalta für sich herausschlug. Können Sie sich nicht mehr erinnern, welch ein Theater Churchill damals gemacht hat?«
»Selbstverständlich erinnere ich mich! Er konnte sich ja an zehn Fingern ausrechnen, daß Großbritannien davon nichts hatte.«
»Und wenn die Sowjets jetzt entdeckt haben, daß das Original der Ikone noch existiert?«
»Wollen Sie damit andeuten, daß sie in diesem Fall auch das Originaldokument in die Hände bekommen könnten?«
»Genau! Also müssen Sie dafür sorgen, daß Sie sich Antarktis schnappen, bevor es die Russen tun – oder gar das Foreign Office.«
»Aber ich gehöre doch zum Foreign Office!«
»Allerdings, und wir wünschen, daß das Foreign Office dies ruhig auch weiterhin glaubt …«
»›Wer hat in meinem Bettchen geschlafen?‹ fragte der siebente Zwerg.«
Adam fuhr aus seinen Träumen empor. Vor ihm stand ein Mädchen und blickte auf ihn herab. Mit der einen Hand umklammerte sie den Hals einer Baßgeige, in der anderen hielt sie den Bogen. Sie war beinah einen Meter achtzig groß und wog sicher beträchtlich mehr als Adam. Ihr langes, schimmerndrotes Haar bildete einen so krassen Gegensatz zu ihrer übrigen Erscheinung, daß es aussah, als hätte ihr Schöpfer oben angefangen und dann rasch das Interesse verloren. Sie trug eine weiße Bluse und einen schwarzen, wallenden Rock, der etwa zwei Zentimeter über dem Boden endete.
»Wer sind Sie?« fragte Adam erschrocken.
»Jedenfalls nicht Schneewittchen«, gab das Mädchen zurück. »Wesentlich interessanter wäre es für mich, zu erfahren, wer
Sie sind!«
Adam zögerte. »Selbst wenn ich es Ihnen sage – Sie würden mir
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