Archer Jeffrey
als dem Inneren eines Bahnhofs. Er beobachtete Connor angespannt, um festzustellen, welchen Zug er
nehmen würde.
Doch da stand noch ein Mann im Halbdunkel, der selbst die
Nummer des Schlafabteils wußte, das Connor nehmen würde. Der amerikanische Kulturattache in St. Petersburg hatte an diesem Abend sogar eine Einladung zum Kirow-Ballett sausen lassen
müssen, um Gutenburg informieren zu können, wann Fitzgerald in
den Nachtzug nach Moskau gestiegen war. Zum Glück war es
nicht nötig, daß er ihn auf der Fahrt beschattete, da am folgenden Morgen Ashley Mitchell, sein Kollege in der Hauptstadt, auf Bahnsteig 4 warten würde, um bestätigen zu können, daß Fitzgerald sein Ziel erreicht hatte. Man hatte dem Kulturattache klarge
macht, daß es Mitchells Mission war.
»Eine Karte erster Klasse nach Moskau«, bat Connor den
Schalterbeamten auf englisch.
Der Mann schob ihm eine Karte über den hölzernen Schalter zu
und war enttäuscht, als der Reisende mit einer Zehntausendrubelnote bezahlte. Er hatte gehofft, daß auch dieser Fahrgast ihm eine
Möglichkeit geben würde, ein bißchen am Wechselkurs zu verdienen – wie bereits einmal an diesem Abend.
Connor studierte seine Fahrkarte, bevor er sich in Marsch zum
Moskau-Expreß setzte. Er schritt den überfüllten Bahnsteig hinunter und kam an mehreren alten grünen Waggons vorbei, die aussahen, als stammten sie noch aus der Zeit vor der Oktoberrevolution
von 1917. Vor Waggon K blieb er stehen und zeigte einer Frau,
die an der offenen Tür stand, seinen Fahrschein. Sie stempelte ihn
ab; dann machte sie Platz, um den Fahrgast einsteigen zu lassen.
Er schlenderte durch den Waggon, bis er Abteil 8 gefunden hatte.
Dort schaltete er das Licht ein und sperrte die Tür zu; nicht weil er
Angst hatte, von Banditen ausgeraubt zu werden – was häufig
vorkam, wenn man der amerikanischen Presse glauben durfte –,
sondern weil er seine Identität schon wieder ändern mußte. Connor hatte den jungen Mann mit dem ausdruckslosen Gesicht
unter dem Ankunftsschild auf dem Genfer Flughafen sofort bemerkt und sich gefragt, woher diese grünen Jungs heutzutage rekrutiert wurden. Er machte sich gar nicht die Mühe, sich in St.
Petersburg nach dem Agenten umzusehen; er wußte auch so, daß
jemand da sein würde, um sich zu vergewissern, daß er angekommen war. Ein anderer Agent würde auf dem Bahnsteig in Moskau
warten. Gutenburg hatte ihm Mitchell beschrieben und ihn mit
näheren Einzelheiten vertraut gemacht; er hatte Mitchell als noch
unerfahren bezeichnet und erwähnt, daß der junge Agent keine
Ahnung von Fitzgeralds Status als NOC hatte.
Der Zug fuhr pünktlich eine Minute vor Mitternacht ab. Das weiche, rhythmische Rattern der Räder auf den Schienen machte Connor schläfrig. Irgendwann fuhr er hoch, schaute auf die Uhr und stellte erstaunt fest, daß es bereits vier Uhr siebenunddreißig war. Das war mehr Schlaf, als ihm in den letzten drei Nächten
vergönnt gewesen war.
Dann fiel ihm sein Traum wieder ein. Er hatte auf einer Bank
mit Blick auf das Weiße Haus im Lafayette Square gesessen und
mit jemandem gesprochen, der kein einziges Mal in seine Richtung blickte. Das Treffen vergangene Woche mit dem Stellvertretenden Direktor spulte sich Wort für Wort in seinem Kopf ab, doch
Connor konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, was an
diesem Gespräch so besonders gewesen war, daß es seinem Unterbewußtsein zu schaffen machte. Gerade als Gutenburg zu dem Satz
ansetzte, der Connor vielleicht Aufschluß gegeben hätte, war er
aufgewacht.
Er war der Lösung des Problems nicht nähergekommen, als der
Zug um acht Uhr dreiunddreißig in den Bahnhof Raveltay einfuhr.
»Wo sind Sie?« fragte Andy Lloyd.
»In einer Telefonzelle in Moskau«, antwortete Jackson. »Nach
einem Umweg über London, Genf und St. Petersburg. Kaum war
er aus dem Zug gestiegen, hat er uns in die Irre geführt. Unseren
Mann in Moskau hatte er in nicht einmal zehn Minuten abgehängt.
Gut, daß ich selbst ihm Abschüttelungstechniken beigebracht habe.
Sonst hätte sogar ich meine liebe Not gehabt.«
»Und wo ist er schließlich abgeblieben?« fragte Lloyd. »In einem kleinen Hotel am Nordrand der Stadt.«
»Ist er noch dort?«
»Nein. Er hat das Hotel etwa eine Stunde später verlassen, aber
er war so gut getarnt, daß nicht einmal ich ihn erkannt hatte, wäre
mir sein Gang nicht so vertraut gewesen.«
»Wohin ist er gegangen?« erkundigte sich Lloyd.
»Auf vielen Umwegen zu Viktor Zerimskijs Parteizentrale, in
der
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