Archer Jeffrey
seine Meinungen anhörten.
Das Museum war so voll wie das Cooke-Stadion, wenn die Redskins spielten, und wo immer Zerimskij erschien, bildete die Menge rasch eine Gasse. Der Kandidat schritt langsam durch die Masse der Moskowiter und zog die Hände, die sich ihm entgegenstreckten, den Gemälden und Skulpturen vor.
Zerimskij war kleiner, als er auf den Fotos aussah, und umgab sich mit noch kleinwüchsigeren Begleitern, damit sein Mangel an körperlicher Größe nicht gleich auffiel. Connor erinnerte sich an Präsident Trumans Kommentar über Größe: »Wenn es um Zentimeter geht, mein Junge, sollten Sie auf die Stirn schauen«, hatte er einmal einem Studenten der Universität von Missouri geraten. »Lieber einen Zoll mehr zwischen Nasenwurzel und Haaransatz als zwischen Fußgelenk und Knie.« Connor stellte fest, daß Zerimskijs Eitelkeit allerdings vor der Kleidung haltgemacht hatte. Sein Anzug saß schlecht, und sein Hemd war an Kragen und Manschetten abgewetzt. Connor fragte sich, ob es klug vom Direktor des Puschkinmuseums war, einen maßgeschneiderten Anzug zu tragen, der ganz offensichtlich nicht in Moskau angefertigt worden war. Connor wußte zwar, daß Zerimskij ein schlauer Mann war und eine gute Schulbildung besaß, aber er erkannte rasch, daß er noch nicht oft in Kunstgalerien gewesen war. Während er durch die Menge eilte, deutete er hin und wieder auf ein Gemälde und verkündete den Anwesenden mit lauter Stimme den Namen des Künstlers. Er irrte sich zwar mehrmals, was die Menge aber nicht daran hinderte, zustimmend zu nicken. Einem Werk von Rubens schenkte Zerimskij kaum Beachtung; er zeigte mehr Interesse an einer Mutter mit Säugling, die ihn begeistert anstarrte, als an einem wundervollen Gemälde, auf dem die Madonna mit Kind zu sehen war. Als Zerimskij das plärrende Baby auf den Arm hob und sich für ein Foto mit der Mutter in Pose warf, riet ihm Titow, einen Schritt nach rechts zu machen. Auf diese Weise würde auch die Heilige Jungfrau mit aufs Bild kommen. Keine Zeitung würde sich dieses Foto für ihre Titelseite entgehen lassen. Sobald Zerimskij durch ein halbes Dutzend Säle gewandelt war und sicher sein konnte, daß jeder Besucher im Puschkinmuseum sich seiner Anwesenheit bewußt war, wandte er seine Aufmerksamkeit den Journalisten zu, die in seinem Schlepptau folgten. Auf dem Treppenabsatz zum ersten Stock hielt er eine improvisierte Pressekonferenz.
»Fangen Sie schon an«, forderte er die Presseleute auf. »Fragen Sie, was Sie wollen.« Er bedachte die Meute mit funkelndem Blick.
»Was ist Ihre Reaktion auf die letzte Meinungsumfrage, Mr. Zerimskij?« fragte der Moskauer Korrespondent von The Times.
»Daß ich die richtige Richtung eingeschlagen habe.«
»In der Wählergunst rangieren Sie gleich hinter Tschernopow und sind deshalb sein einziger ernst zu nehmender Rivale«, rief ein anderer Journalist.
»Er wird am Wahltag mein einziger ernst zu nehmender Rivale sein«, rief Zerimskij aus. Seine Begleiter lachten pflichtschuldig.
»Glauben Sie, Rußland sollte wieder ein kommunistischer Staat werden, Mr. Zerimskij?« erklang die unausbleibliche, mit unverkennbar amerikanischem Akzent gestellte Frage.
Der gerissene Politiker war viel zu wachsam, um in diese Falle zu gehen. »Wenn Sie damit eine Rückkehr zu höherer Beschäftigungsquote, geringerer Inflation und besserem Lebensstandard meinen, lautet die Antwort ja.« Er hörte sich kaum anders an als ein republikanischer Kandidat während einer Vorwahl in den Vereinigten Staaten.
»Aber das ist genau, was Tschernopow als die Politik der derzeitigen Regierung darstellt.«
»Die Politik der derzeitigen Regierung«, entgegnete Zerimskij, »ist darauf gerichtet, daß das Schweizer Nummernkonto des Premierministers von Dollars überfließt. Dieses Geld gehört jedoch dem russischen Volk. Deshalb darf unser nächster Präsident nicht Tschernopow heißen. Ich habe gehört, daß Tschernopow an siebter Stelle geführt wird, wenn die Zeitschrift Fortune die Liste der zehn reichsten Männer der Welt veröffentlicht. Wählt man ihn zum Präsidenten, wird er innerhalb der nächsten fünf Jahre Bill Gates von Platz eins verdrängt haben. Nein, meine Freunde«, fügte er hinzu, »Sie werden feststellen, daß das russische Volk mit Pauken und Trompeten für die Rückkehr zu jenen Zeiten stimmen wird, als wir die angesehenste Nation der Welt waren.«
»Und die gefürchtetste?« warf ein anderer Journalist ein.
»Das wäre besser als eine
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