Archer Jeffrey
Menge schweifen
ließ.
»Wo, wo?« erkundigte sich Boltschenkow aufgeregt und riß ihm
das Fernglas aus der Hand.
»Zwölf Uhr, ungefähr fünfzig Meter geradeaus, vor einer Frau
mit rotem Kopftuch. Er steht vollkommen regungslos. Der Mann
sieht zwar nicht aus wie auf dem Foto, aber bei jedem Applaus eilt
er weiter, viel zu schnell für einen Mann seines Alters.« Boltschenkow stellte den Feldstecher scharf ein. »Hab’ ihn!« Er
nickte heftig. »Ja, das könnte er sein. Weisen Sie die zwei Leute
an, die bei ein Uhr postiert sind, daß sie ihn verhaften sollen. Und
die zwei Männer zwanzig Meter vor ihm sollen die beiden Kollegen decken. Sehen wir zu, daß wir es so schnell wie möglich hinter
uns bringen.« Der junge Kriminalbeamte machte ein besorgtes
Gesicht. »Falls es sich als Fehler erweisen sollte«, beruhigte ihn
der Polizeichef, »übernehme ich die Verantwortung.«
»Laßt uns nie vergessen«, fuhr Zerimskij fort, »daß Rußland
wieder die bedeutendste Nation der Welt sein kann…« Mitchell befand sich jetzt nur noch einen Schritt von Connor
entfernt, der offenbar gar nicht auf ihn achtete. In nur wenigen Sekunden würde es zu längerem begeistertem Jubel kommen, nachdem Zerimskij verkündet hatte, was er zu tun beabsichtigte, falls er Präsident wurde. Keine fetten Bankkonten mehr, die sich ehrlose Geschäftsleute von Bestechungsgeldern einrichteten. Diese Bemerkung rief stets den lautesten Applaus hervor – und dann würde Connor fort von hier sein. Und er würde dafür sorgen, daß Mitchell irgendwo in die Dritte Welt hinter einen Schreibtisch
versetzt würde.
»Ich werde mich ganz eurem Wohle widmen und mit dem Einkommen eines Präsidenten mehr als zufrieden sein. Ich werde
keine Bestechungsgelder von unehrenhaften Geschäftsleuten annehmen, deren einziges Interesse darin besteht, die Reichtümer
unserer Nation an sich zu raffen.«
Die Menge brach in begeisterten Jubel aus. Connor drehte sich
rasch um und ging nach rechts. Doch er hatte noch keine drei
Schritte getan, als der erste Polizist ihn am linken Arm festhielt.
Eine Sekunde später packte ein anderer seinen rechten Arm. Er
wurde zu Boden geworfen, machte aber keine Anstalten, sich zu
wehren. Regel Nummer eins: Wenn du nichts zu verbergen hast,
widersetze dich bei einer Verhaftung nicht. Die Hände wurden
Connor auf den Rücken gedreht; Handschellen schnappten klikkend um seine Gelenke. Die Menge bildete einen kleinen Kreis um
die drei Männer auf dem Boden. Die Umstehenden interessierten
sich jetzt viel mehr für das unmittelbare Geschehen als für Zerimskijs Worte. Mitchell blieb ein wenig abseits und wartete auf
das Unvermeidliche: Wer ist der Mann?
»Mafya-Killer«, flüsterte er gerade so laut, daß die nächsten
Umstehenden es hören konnten. Er ging zurück in Richtung Pressetribüne und flüsterte immer wieder »Mafya-Killer« vor sich hin. »Wenn ich zum Präsidenten gewählt werde, Genossen, könnt ihr
euch darauf verlassen…«
»Sie sind verhaftet«, sagte ein dritter Polizist, den Connor nicht
sehen konnte, weil seine Nase auf den Boden gedrückt wurde. »Schafft ihn weg«, sagte dieselbe befehlsgewohnte Stimme, und
Connor wurde zum Nordende des Platzes gezerrt.
Zerimskij war nicht entgangen, daß in der Menge irgend etwas
geschah, doch er ging darüber hinweg wie ein alter Profi. »Würde
Tschernopow gewählt, wären die Amerikaner über die Innenpolitik Mexikos mehr besorgt als um die Außenpolitik Rußlands…«,
fuhr er, ohne zu stocken, fort.
Jackson nahm den Blick keine Sekunde von Connor, als die
Menge eine Gasse bildete, um die Polizei durchzulassen. »Es sind nur noch sechs Tage, meine Freunde, bis das Volk entscheidet…«
Mitchell entfernte sich rasch vom Unruheherd und ging weiter
zur Pressetribüne.
»Aber tut es nicht für mich. Tut es nicht einmal für die kommunistische Partei. Tut es für die nächste Generation in Rußland…« Der Streifenwagen, begleitet von vier Polizisten auf Motorrädern, entfernte sich vom Platz der Freiheit.
»… damit sie stolz darauf sein kann, Bürger der größten und
ruhmreichsten Nation der Erde zu sein. Ich bitte euch nur um eines
– daß ihr mir das Privileg gebt, diese Menschen in eine glückliche
Zukunft zu führen.« Er legte eine Pause ein, bis er sicher war, die
Aufmerksamkeit eines jeden auf dem Platz zu haben, ehe er die
Rede leise mit den Worten beendete: »Genossen! Ich will nicht
Herr sein, sondern Diener. Euer Diener. Der treue Diener meines
Volkes.«
Er machte einen
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