Archer Jeffrey
ausgebreiteten Schwingen zeigte. Zwei Männer mit Kalaschnikows traten herbei, und der Chauffeur des vorderen BMW ließ ein getöntes Fenster herunter, um ihnen die Möglichkeit zu geben, ins Wageninnere zu schauen. Die Szene erinnerte Jackson an die Einfahrt zum CIA-Hauptquartier in Langley – nur daß die Wachposten sich dort mit Pistolen begnügen mußten, die in ihren Halftern blieben.
Nachdem alle drei Wagen inspiziert waren, nickte einer der Posten, und die Flügel des Falkentors glitten auseinander. Die drei BMWs setzten die Fahrt in gemessenerem Tempo auf einer Kieseinfahrt fort, die sich durch ein dichtes Waldstück schlängelte. Erst nach weiteren fünf Minuten konnte Jackson einen ersten Blick auf das Haus werfen – obwohl Haus nicht das richtige Wort für das Gebäude war. Vor einem Jahrhundert war es der Palast des Zarewitsch gewesen, des erstgeborenen Sohnes des Zaren. Nun wurde es von einem entfernten Nachfahren bewohnt, der an sein Erbrecht glaubte.
»Du erst sprechen zu Zar, wenn er selbst gesprochen«, hatte Sergej ihn gewarnt. »Und ihn immer behandeln wie sein kaiserlich Vorfahren.« Jackson hatte Sergej vorsichtshalber verschwiegen, daß er keine Ahnung hatte, wie er sich einem Mitglied der russischen Zarenfamilie gegenüber zu verhalten habe.
Knirschend hielten die Wagen vor dem Haupteingang. Ein großer, eleganter Mann in schwarzem Frack, weißem Hemd und Schleife stand wartend oben an der Treppe. Er verbeugte sich vor Jackson, der sich alle Mühe gab, so zu tun, als hätte er immer schon in Fürstenhäusern und Adelspalästen verkehrt. Immerhin hatte er ja einmal Richard Nixon persönlich kennengelernt.
»Willkommen im Winterpalast, Mr. Jackson«, sagte der Butler. »Mr. Romanow erwartet Sie in der Blauen Galerie.«
Alexij Romanow und Stefan Iwanitskij begleiteten Jackson durch die offene Tür. Dann folgten Jackson und der junge Romanow dem Butler durch einen langen Marmorkorridor, während Iwanitskij am Eingang verharrte. Jackson wäre gern stehengeblieben, um die Gemälde und Statuen zu bewundern, die jedem Museum Ehre gemacht hätten, doch der Butler schritt zügig aus. Er blieb erst stehen, als sie zu einer weißen Flügeltür am Ende des Korridors gelangten, die fast bis zur Decke reichte. Nachdem der Butler angeklopft hatte, öffnete er einen Flügel und trat zur Seite, um Jackson einzulassen.
»Mr. Jackson«, verkündete er; dann verließ er den Raum und schloß leise die Tür hinter sich.
Jackson trat in einen großen, prunkvoll möblierten Salon. Der Fußboden wurde von einem riesigen Teppich bedeckt, für dessen Besitz ein Türke wahrscheinlich sein Leben gegeben hätte. Aus einem mit rotem Samt überzogenen Louis-XIV-Ohrensessel erhob sich ein älterer Herr in blauem Nadelstreifenanzug. Sein Haar war silbern, und die Blässe seiner Haut deutete auf eine langwierige Krankheit hin. Sein dünner Körper war leicht vornübergebeugt, als er einen Schritt nach vorn tat, um seinem Gast die Hand zu reichen.
»Wie freundlich von Ihnen, Mr. Jackson, den weiten Weg auf sich zu nehmen, um mich zu besuchen«, begrüßte er ihn. »Sie müssen entschuldigen, aber mein Englisch ist ein wenig eingerostet. Ich war gezwungen, Oxford schon 1939 zu verlassen, gleich nach Ausbruch des Krieges, obwohl ich dort erst im zweiten Jahr studierte. Sie müssen wissen, die Briten haben den Russen nie so recht getraut, auch wenn wir später Verbündete wurden.« Er lächelte. »Ich bin sicher, sie haben den Amerikanern gegenüber die gleiche Einstellung.«
Jackson wußte nicht so recht, wie er darauf reagieren sollte.
»Aber nehmen Sie doch bitte Platz, Mr. Jackson.« Der alte Herr deutete auf das Pendant des Ohrensessels, in dem er gesessen hatte.
»Vielen Dank.« Das waren Jacksons erste Worte, seit er das Hotel verlassen hatte.
»Und jetzt, Mr. Jackson«, Romanow setzte sich behutsam wieder in seinen Sessel, »muß ich Sie bitten, mir einige Fragen präzise zu beantworten. Sollten Sie Zweifel haben, lassen Sie sich bitte Zeit, ehe Sie etwas erwidern. Denn sollten Sie mich belügen, werden Sie feststellen – wie soll ich sagen? –, daß dies nicht nur zu einer Beendigung unserer heutigen Besprechung fuhren wird.«
Am liebsten hätte Jackson an Ort und Stelle kehrtgemacht, doch ihm war klar, daß dieser hinfällige alte Mann wahrscheinlich der einzige Mensch auf Erden war, der Connor lebend aus dem Kruzifixgefängnis holen konnte. Also schwieg Jackson und nickte nur knapp.
»Gut«, sagte Romanow. »Jetzt
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