Archer Jeffrey
verkaufen sollten, mit dessen Erlös wir unsere Schulden tilgen und sogar noch ein wenig Kapital übrig behalten würden, um uns durch die nächsten Jahre zu bringen.«
»Und was wäre das?«
»Van Goghs Die Kartoffelesser .«
»Niemals!«
»Aber Charlie, das Bild gehört …«
Am folgenden Morgen bat Charlie um eine Unterredung mit
Lord Woolton und erklärte dem Minister, daß er nun eigenen Problemen gegenüberstehe, die seine persönliche Aufmerksamkeit erforderten. Er bat daher darum, ob er, da jetzt der Krieg in Europa zu Ende sei, von seinen derzeitigen Pflichten entbunden werden könne.
Lord Woolton verstand sein Dilemma und versicherte ihm, wie sehr es ihm und der ganzen Abteilung leid tun würde, wenn er ging.
Als Charlie dann einen Monat später das Ministerium verließ, war das einzige, was er mitnahm, Jessica Allen.
Charlies Probleme wurden auch im weiteren Verlauf des Jahres nicht geringer, da die Grundstückspreise weiter fielen und die Inflation stieg. Dennoch war er tief gerührt, als der Premierminister, nachdem man mit Japan Frieden geschlossen hatte, ihm zu Ehren ein Dinner in Downing Street Nummer 10 gab. Daphne gestand, daß sie es noch nie von innen gesehen hatte, und sagte zu Becky, sie sei auch gar nicht sicher, ob sie es wollte. Percy gab zu, daß er es schon wollte, und daß er neidisch war.
Mehrere führende Kabinettsminister waren zu dem Anlaß anwesend. Becky saß zwischen Churchill und dem aufsteigenden Stern Rab Butler, während Charlie der Platz zwischen Mrs. Churchill und Lady Woolton zugeteilt war. Becky beobachtete ihren Mann, wie er sich völlig entspannt mit dem Premierminister und Lord Woolton unterhielt, und er hatte sogar den Nerv, Churchill eine Zigarre anzubieten, die er am Nachmittag in Nummer 139 extra dafür ausgesucht hatte. Niemand von den Anwesenden hätte auch nur im leisesten ahnen können, daß sie am Rande des Bankrotts standen.
Als der Abend endete, bedankte sich Becky bei dem Premierminister, der seinerseits ihr dankte.
»Wofür?« fragte Becky erstaunt.
»Daß Sie Telefongespräche in meinem Namen entgegengenommen und ausgezeichnete Entscheidungen für mich getroffen haben«, sagte er, während er sie beide den langen Korridor zum Eingang begleitete.
»Ich hatte keine Ahnung, daß Sie das wußten!« sagte Charlie und bekam einen roten Kopf.
»Wußten? Woolton erzählte es am nächsten Tag dem gesamten Kabinett. Hab’ sie noch nie zuvor so lachen gesehen.«
Als der Premierminister die Tür von Nummer 10 erreichte, machte er eine knappe Verbeugung vor Becky und sagte: »Gute Nacht, Lady Trumper.«
»Du weißt, was das bedeutet?« meinte Charlie, als sie aus der Downing Street Richtung Whitehall fuhren.
»Daß man dir den Ritterschlag erteilen wird?«
»Ja, aber was viel wichtiger ist, wir werden den Van Gogh verkaufen müssen.«
Daniel 1931 – 1947
29
Nur zu gut erinnere ich mich immer noch an das »Bastard, Bastard, Bastard!« Ich war damals fünfdreiviertel, und die Worte brüllte ein kleines Mädchen auf der anderen Seite des Spielplatzes. Sie deutete auf mich und hüpfte dabei auf und ab. Der Rest der Klasse hielt an und starrte, bis ich zu ihr hinüberrannte und sie gegen die Wand drückte.
»Was heißt das?« fragte ich sie heftig und quetschte ihren Arm.
Sie brach in Tränen aus und sagte: »Weiß ich nicht. Ich hab’ bloß gehört, wie Mami zu Dad gesagt hat, daß du ein kleiner Bastard bist.«
»Ich weiß, was das Wort heißt«, sagte jemand hinter mir. Ich drehte mich um und stellte fest, daß ich von meinen Mitschülern umgeben war, aber ich konnte nicht erkennen, wer gesprochen hatte.
»Was bedeutet es?« fragte ich jetzt lauter.
»Gib mir sechs Pence, dann sag’ ich’s dir.«
Ich starrte zu Neil Watson hoch, dem Klassengroßmaul und Rädelsführer, der immer in der Bankreihe hinter mir saß.
»Ich hab’ bloß drei Pence.«
Er ließ es sich eine Zeitlang durch den Kopf gehen, ehe er sich großmütig einverstanden erklärte. »Na gut, dann sag’ ich’s dir für drei Pence.«
Er stellte sich vor mich, streckte die Hand aus und wartete, bis ich mein Taschentuch aufgeknüpft und ihm mein ganzes Taschengeld für die Woche gegeben hatte. Dann flüsterte er mir ins Ohr: »Das heißt, daß du keinen Vater hast.«
»Das ist nicht wahr!« schrie ich und boxte ihn auf die Brust. Doch er war viel größer als ich und lachte nur. Die Glocke läutete zum Pausenende, und alle rannten zurück ins Klassenzimmer. Mehrere Kinder lachten und riefen im
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