Archer Jeffrey
war so aufgeregt und erfreut über ihr Angebot, daß ich ganz vergaß, warum ich mich überhaupt beworben hatte – bis ich die versprochene Bestätigung erhielt und die Unterschrift der Dame entziffern konnte.
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Cathy arbeitete erst elf Tage hinter dem Ladentisch in Trumpers Auktionshaus, als Simon Matthews sie aufforderte, ihm bei der Zusammenstellung eines Katalogs für die italienische Auktion zu helfen. Er war der erste, der bemerkt hatte, wie sie, quasi als die vorderste Front der Kunstgalerie, die zahllosen Fragen beantwortete und Anfragen erwiderte, mit denen sie bombardiert wurde, ohne ständig irgend jemandes Meinung einholen zu müssen. Sie arbeitete bei Trumper genauso fleißig wie zuvor im Melrose Hotel, nur mit einem Unterschied: sie hatte jetzt Freude an ihrer Arbeit.
Zum erstenmal im Leben fühlte sich Cathy, als gehöre sie einer Familie an, denn Rebecca Trumper war immer völlig ungezwungen und freundlich zu ihrem Personal und behandelte jeden als gleichgestellt. Ihr Gehalt war weit großzügiger als der karge Lohn, den ihr vorheriger Arbeitgeber bezahlt hatte, und das Zimmer, das man ihr über der Metzgerei in Nummer 135 überlassen hatte, war ein Palast verglichen mit dem Mäuseloch im Hotel.
Mehr über ihren Vater herauszufinden verlor an Wichtigkeit für sie, während sie alles daransetzte, sich in ihrer Stellung in der Chelsea Terrace 1 zu bewähren. Cathys Hauptaufgabe bei der Zusammenstellung des Katalogs für die italienische Versteigerung war es, die Vorgeschichte jedes einzelnen der neunundfünfzig Gemälde zu überprüfen, die unter den Hammer kommen sollten. Zu diesem Zweck fuhr sie kreuz und quer durch London von Bibliothek zu Bibliothek und rief eine Galerie nach der anderen an, um jede Einzelheit über jedes Bild herauszufinden. Schließlich blieb nur ein Gemälde übrig, das Madonnenbild, über das sie nichts erfahren konnte. Es wies keine Signatur auf, und es gab keine weiteren Angaben über dieses Werk, als daß es ursprünglich aus der Privatsammlung von Sir Charles Trumper gekommen war und jetzt einer Mrs. Kitty Bennett gehörte.
Cathy fragte Simon Matthews, ob er ihr bei dem Bild helfen könne, und der meinte, daß es möglicherweise aus der Schule Bronzinos stamme.
Simon, der für die Auktion zuständig war, riet Cathy, die Alben mit den Zeitungsausschnitten durchzusehen. »Fast alles, was man über die Trumpers wissen möchte, ist darin zu finden.«
»Und wo kann ich diese Akte finden?«
»Im vierten Stock in der komischen Kammer am Ende des Korridors.«
Als sie diese Kammer endlich fand, mußte sie erst eine dicke Staubschicht und einige Spinnweben wegwischen, bevor sie durch die Jahrbücher stöbern konnte. Sie setzte sich auf den Boden und schlug die Beine über Kreuz, und während sie Seite um Seite umblätterte, wuchs ihre Faszination über den Aufstieg von Charles Trumper, angefangen von den Tagen, als ihm ein erster Verkaufskarren in Whitechapel gehört hatte, bis zu den Plänen für den Trumper-Komplex in Chelsea. Die Zeitungsausschnitte in den ersten Jahren waren spärlich und kurz, aber ein knapper Bericht im Evening Standard ließ Cathy innehalten. Die Seite war vergilbt und das Datum, 8. September 1922, in der rechten oberen Ecke kaum noch lesbar. Der Text lautete:
Ein hochgewachsener Mann, etwa Ende Zwanzig, unrasiert und mit einem alten Uniformmantel bekleidet, drang gestern am frühen Vormittag in das Haus von Mr. und Mrs. Charles Trumper in der Gilston Road 11 ein. Der Einbrecher entkam mit einem kleinen Ölgemälde, vermutlich von geringem Wert, aber Mrs. Trumper, die im siebten Monat schwanger war – sie erwartete ihr zweites Kind –, erlitt einen Schock und wurde in aller Eile von ihrem Gemahl ins Guy’s Hospital gebracht.
Der Chirurg Dr. Armitage nahm sofort eine Notoperation vor, doch das Baby, ein Mädchen, konnte nicht mehr gerettet werden. Mrs. Trumper wird eine Zeitlang zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben müssen.
Personen, die sich zur angegebenen Zeit in der Nähe des Tatorts aufgehalten haben, werden gebeten, sich bei der Polizei zu melden.
Cathys Blick wanderte zu einem zweiten Bericht mit einem neun Wochen späteren Datum:
Die Polizei gelangte in den Besitz eines alten Armeeuniformmantels, welcher möglicherweise von dem Mann getragen wurde, der am Vormittag des 7. September in das Haus von Mr. und Mrs. Charles Trumper in der Gilston Road 17 eingebrochen ist. Als ursprünglicher Besitzer des Mantels konnte ein Captain
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